Ist der Bau der A 39 beschlossene Sache? Oder ist das Projekt längst gestorben? Die jüngsten Aussagen von Enak Ferlemann, Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, bei seinem Besuch in Uelzen haben die Diskussionen um die Autobahn zwischen Lüneburg und Wolfsburg neu hochkochen lassen.
Ferlemann hatte von einem grundsätzlich beschlossenen Bau und einem ersten Spatenstich bei optimalem Verlauf im Jahr 2013 gesprochen. Die Gegner melden sich prompt zu Wort: So sieht der Landesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz, Regionalgruppe Ostheide, widersprüchliche Aussagen der Verkehrs-Staatssekretäre Ferlemann und Scheurle: Letzterer habe betont, dass der Bund Aussagen zur Finanzierung der A 39 frühestens 2014 machen werde. ¬
Das Bundesverkehrsministerium kann dagegen keinen Widerspruch erkennen: ¬
Die Aussagen der beiden Staatssekretäre seien unter unterschiedlichen Voraussetzungen erfolgt, erklärte ein Sprecher auf AZ-Nachfrage: Wenn es ein konfliktfreies Planfeststellungsverfahren gebe, könnte das Baurecht für einen ersten Planungsabschnitt frühestens 2013 vorliegen. „Sollten sich zu diesem Zeitpunkt Finanzierungsmöglichkeiten ergeben, wäre noch ein Baubeginn denkbar“, erklärt Ministerialrat Richard Schild. Sollte aber gegen den Planfeststellungsbeschluss geklagt werden, „würde dies erfahrungsgemäß zu einer Verzögerung um etwa ein Jahr führen“, so Schild. „Unter dieser Annahme wäre eine Finanzierung erst 2014 notwendig.“ Voraussetzung für eine verbindliche Finanzierungszusage einer Maßnahme sei das Vorliegen des Baurechtes. Erst dann könne ein Projekt in den Straßenbauplan, der Anlage zum Bundeshaushalt, eingestellt werden. ¬
Die AZ bat einen Befürworter und einen Gegner der Autobahnpläne um eine Stellungnahme. Annette Niemann ist Sprecherin der Bürgerinitiativen gegen die A 39, Hubertus Kobernuß ist Inhaber eines Uelzener Logistik-Unternehmens und Vize-Präsident des Gesamtverbandes Verkehrsgewerbe Niedersachsen.
PRO - von Hubertus Kobernuß
Dass die A 39 den bislang noch größten autobahnfreien Raum Deutschlands erschließen wird, ist eine Tatsache, für sich allein aber sicher noch kein Argument. Ein Argument ist allerdings, dass sich Unternehmen nur dort ansiedeln, sich entwickeln und Arbeitsund Ausbildungsplätze schaffen, wo die Infrastruktur stimmt. Und eine Autobahnanbindung ist – und dies nicht nur für das Speditionsgewerbe – immer noch eine der zentralen Forderungen. Wie sonst sollen die Güter schnell, termingerecht und ohne die Umwelt belastende Staus an- und abtransportiert werden? Wie sonst, wenn nicht mit der A 39, wollen wir uns mit dem Raum Uelzen als sogenannter trimodaler Logistik-Standort positionieren? Die Chancen stehen gut, zusammen mit dem Elbe-Seitenkanal und der Anbindung an das Schienennetz durch die A 39 Unternehmen und damit Arbeitsplätze nach Uelzen zu ziehen. Auf diese Chance zu verzichten, können wir uns vor dem Hintergrund des sich immer mehr verschärfenden Wettbewerbs schlichtweg nicht leisten.
Auch die Behauptung, die Autobahn würde dem Tourismus schaden, ist nicht haltbar. Das Gegenteil ist der Fall: Gerade wir zwischen den großen Städten Hamburg und Hannover profitieren wesentlich von Tagestouristen. Die bei Weitem überwiegende Anzahl dieser Touristen – Schätzungen gehen von bis zu 90 Prozent aus – nutzt aber immer noch und vermutlich auch weiterhin den Pkw für die Anreise. Die A 39 wird auch zweifellos die Orte an der B4 vom heutigen Durchgangsverkehr entlasten. Mehr Lebensqualität also! Wer den Bau von B4-Ortsumgehungen fordert, verschiebt die Lösung des Problems in eine ferne Zukunft.
Geschätzten Kosten von 650 Millionen Euro für die A 39 steht derzeit ein geschätzter Nutzen für die Region von 1,8 Milliarden Euro gegenüber. Auch wenn sich die Kosten, unter anderem durch ständig neue Umweltauflagen, bei einer neuen Kalkulation erhöhen sollten, wird sich meines Erachtens an einem deutlich positiven Nutzen-Kosten-Verhältnis nichts ändern.
CONTRA - von Annette Niemann
Eigentlich ist alles ganz einfach und bedarf nur dreier Augen- Blicke: Erstens empfehlen die einzigen Studien (VUNO 1995 und 2002) zur Entwicklung unserer Region ausdrücklich keine Autobahn. Die A39 wurde als die schlechteste aller Lösungen bewertet. Zweitens gibt es zahlreiche Untersuchungen, die alle zum gleichen Ergebnis kommen: Ein Zusammenhang zwischen dem Bau neuer Autobahnen und dem Erstarken der Wirtschaft ist seit den Achtzigerjahren nicht mehr festzustellen.
Und Drittens: Ausgerechnet Finnland wurde kürzlich zur weltweit konkurrenzfähigsten Wirtschaftsnation gekürt, und auch Dänemark und Schweden liegen noch weit vor Deutschland. Alle drei Länder haben diesen Status ohne nennenswertes Autobahnnetz erreichen können – und in Nordrhein- Westfalen, der Region mit der höchsten Autobahndichte Europas, liegt die Arbeitslosigkeit bei über 13 Prozent! Bayern dagegen schneidet trotz geringster Autobahndichte in Deutschland viel besser ab und liegt weit unter dem Durchschnitt. In bestens erschlossenen Ländern wie der Bundesrepublik helfen Autobahnen der Wirtschaft also nicht. Es gibt mehr als genug Straßen!
Trotzdem ist der Straßenbau einer der größten Brocken in je– dem Bundeshaushalt. Trotz– dem wird Jahr für Jahr mehr für den Bau neuer Straßen ausge– geben. Trotzdem hat der Stra– ßenbau immer noch Vorrang vor Schiene und Wasserweg. Um Deutschland zukunftsfähig zu machen, wären aber In– vestitionen in Bildung und re– gionale Förderprogramme sowie der Abbau von Subventionen hilfreich. Deutschland verschleudert also weiter Milliarden für Verkehrsprojekte, die niemandem helfen, und streicht Gelder für Bildung und für gezielte Förderungsmaßnahmen, die überall dort im Ausland, wo sie konsequent angewandt wurden, zu nachhaltigem Wirtschaftswachstum geführt haben.
Unser Engagement gegen die A 39 ist also weniger als „Verhindern“ zu verstehen, sondern als „Kurskorrektur“ hin zu wirklich notwendigen Maßnahmen. Quelle: Allgemeine Zeitung