Mittwoch, 28. September 2011

Der Ortolan wirds richten

Ein Bericht der Sitzung des "Facharbeitskreises Umwelt" für den Abschnitt 4 der A 39 (zwischen B 71 und Bodenteich) am 27. September 2011 in Bad Bodenteich. Dazu eingeladen hatte die Straßenbaubehörde.
Bei der Präsentation der "Bestandserfassung" durch die Gutachter war u.a. nur "Agrarlandschaft" ausgewiesen. Obwohl die Daten über die Anbauverhältnisse auf den Äckern (Biogas-und Futtermais) vorliegen, die ja für die Einschätzung der Kompensationsmaßnahmen für den Ortolan elementar wichtig sind, sollen diese nicht veröffentlicht werden.

Es wurden bedeutsame Biotope kartenmäßig dargestellt.

Bei der Präsenation der faunistischen Erhebungen (erhoben in nur einem Jahr) waren besonders folgende bedrohten Arten wichtig:
- Ortolan
- Heidelerche
- Raubwürger

Beim sehr schutzbedürftigen Ortolan wird durch die A 39 eine Population verinselt, die wegen der zu geringen Zahl der Tiere kaum stabil bleiben wird. Dies liegt daran, dass die Männchen nicht einfach die A 39 kreuzen, sondern standortfest an einem Standort leben. Normalerweise erfolgt ein Austausch und ein Zuflug von Weibchen aufgrund der Singgemeinschaften dieser Vögel - aber diese werden durhc die A 39 unterbunden. Wegen der hohen Schutzbedürftigkeit dieser Vögel muss bereits vor der Planfeststellung nachgewiesen werden, dass die geplanten Kompensations-Maßnahmen wirklich helfen. Dies ist durch Maßnahmen und deren Ergebnisse nachzuweisen, die jetzt bereits vorab durchgeführt werden.
Die Ortolane brauchen Bäume als Singwarten, und zwar in der Nähe von extensiv angebautem Sommergetreide auf sandigen Böden. Also muss man Landwirte gewinnen, die solche unrentablen Flächen gegen Prämien (gezahlt vom Verkehrsministerium) so anbauen, für sogenannte "Produktionsintegrierte Kompensationsmaßnahmen - PIK"). Da es aber ähnlich hohe Prämien für ähnliche Programme gibt (mit weniger Auflagen und ohne dauernde Anwesenheit prüfender Naturschützer auf dem Feld), hat man bisher nur 6 Landwirte mit insgesamt 25 ha gewinnen können. Nötig wären etwa 150 Hektar.
Obiges betrifft den Vorlauf, der modellhaft sein soll für einen späteren dauernden Ausgleich, der danach ja für "ewig" weitergeführt werden muss (weil ja auch der Eingriff durch die A 39 ewig wirkt). Dies könnte man dadurch gewährleisten, dass die Landwirte sich dazu durch eine Festschreibung im Grundbuch verpflichtehn - was keiner tut. Also muss es eine Stiftung geben, die dafür sorgt, dass sie jedes Jahr ausreichend viele und passende Flächen für diese Maßnahmen anpachtet - und diese Stiftung muss genügend Geld haben für die Bestreitung dieser Ausgaben aus den Zinsen eines hohen Zweckvermögens - und diese Stiftung muss gegen möglichen Konkurs oder Vermögensverlust irgendwie abgesichtert werden. Daran wird im Moment herumgedacht, aber bisher ohne Lösung.
Aus allen diesen Gründen ist diese Verinselung der Ortolane der massivste naturschutzmäßige Punkt, weil nicht kompensierbar, für die Verhinderung der A 39.
Hinzu kommt, dass - entgegen der Auffassung der Landwirtschaftskammer - diese obige Fördermaßnahme von der EU genehmigt werden muss: Der LBU wird die EU-Kommission über diesen Sachverhalt informieren.
Problematisch ist ohnehin die Beeinträchtigung des Vogelschutzgebiets.

Vorgestellt wurde auch das großräumige Vernetzungskonzept, das bei Großtieren aus Grünbrücken oder Faunapassagen besteht. Kritisch ist dies - wegen der Abtrennung westlicher Vorkommen durch die A 39 - vor allem bei Ottern, Wölfen und Rotwild.
Am Rande der Veranstaltung war zu hören, dass die Grünbrücke bei Barendorf etweder weiter nach Süden verschoben oder aufgegeben werden soll und dass die Lage der geplanten Grünbrücke bei Wulfstorf von den Jägern angezweifelt wird. Das Gutachten der TiHo Hannover zum Vernetzungskonzept Rotwild liegt weitegehend vor, ist aber nicht öffentlich...

Bei der Vorstellung der "formal-rechtlichen Ableitungen" der naturschutzfachlichen Kompensationsmaßnahmen wurde moniert, dass wesentliche Vorgaben (nämlich die des funktionellen Ausgleichs in möglichst großer Nähe zum Eingriff) nicht erwähnt wurden. Offenbar deshalb, weil man - gemeinsam mit Landwirtschaftskammer und Landvolk - eine neuartige "Großräumliche Kompensation" plant, bei der man Ausgleichsmaßnahmen im gesamten "Naturraum Lüneburger Heide" verteilen will. Dies wurde von den Umweltverbänden eindeutig abgelehnt. Offenbar gibt es zudem ein bisher nicht veröffentlichtes Gutachten von Prof. Hähnel (Uni Kassel) für die Rechtfertigung dieser Abweichung vom Naturschutzgesetz.

Den Beginn des Planfeststellungsverfahrens für den 4. Abschnitt schätzt Frau Padberg für Anfang 2014. Quelle: Eckehard Niemann