Sonntag, 26. September 2010

Bekenntnisse reichen nicht

Ein Leserbrief von Borvin Wulf zur Wochenrevue der Allgemeinen Zeitung. Tenor: Politiker werden - nach Ausscheiden aus dem Amt - oftmals vom Saulus zum Paulus.

Es ist immer wieder erstaunlich, wie manche Politiker und Wirtschaftsbosse, wenn sie aus Altersgründen aus der aktiven Politik oder Wirtschaft ausscheiden, vom "Saulus" zum "Paulus" werden. Und auf einmal entdecken sie auch noch die Notwendigkeit von mehr Bürgerbeteiligung. Ich greife hier nur mal zwei dieser Figuren heraus: Edzard Reuten, ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Daimler Benz AG, einer der mächtigsten Industriekapitäne Deutschlands und in der Wolle durch und durch gefärbter Vertreter der kapitalistischen Ausbeuterklasse, den reale soziale und Arbeitnehmer-Mitbestimmungsinteressen jahrelang nicht die Bohne interessiert haben, reiht sich zur Zeit ein in das nach Zehntausenden zählende Heer von Bürgern, die in Stuttgart gegen das geplante, 13 Mrd. Euro teure Taegabauprojekt "S 21" demonstrieren, weil dieses Bauprojekt in jeder Hinsicht von wegen des Größenwahns dem Turmbau zu Babel gleicht.

Als zweites Beispiel für diese Spezies der herrschenden Klasse nenne ich hier Peter Struck. Als er 11 Jahre lang als Minister und als SPD-Fraktionsvorsitzender noch mächtig war, gehörte er zu den wichtigsten politischen Strippenziehern und den entschiedensten Befürwortern der geplanten naturzerstörerischen, riesenflächenverbrauchenden, umwelt- und menschenfeindlichen A 39 und beschimpfte mit knarriger Stimme rüpelhaft jeden, der mit guten, sachlichen Gründen an den gesunden Menschenverstand appellierte und sich gegen diese völlig überflüssige Autobahn aussprach. Und jetzt, wo er seinen beruflichen Ruhestand genießt und Zeit findet, sein Buch "So läuft das" zu veröffentlichen, kommt er plötzlich ganz lammfromm und nachdenklich daher und erklärt am 10. September vor den versammelten Hauptstadt-Journalisten, nicht nur in Stuttgart gäbe es verständliche Bürgerproteste gegen das milliardenschwere Bahnprojekt, sondern auch in seinem ehemaligen Wahlkreis Uelzen. Auch hier gäbe es nach jahrelangen Planungen der A 39 Gegenwind, "besonders von Menschen, die in die Heide gezogen sind, um hier Ruhe zu finden". Vor Jahren hat ihn das nicht eine Sekunde auch nur interessiert. Wie man ihn kennt, fast immer kurz angebunden, erklärte er damals auch parteiintern jeden A 39-Gegner zum Fortschrittsfeind und zum politischen Deppen. So läuft das bei Politikern und Wirtschaftsbossen dieser Sorte. Nichts anderes als Charaktermasken sind das.

Und dann ist da in Sachen A 39 ja auch noch der sog. "Nordland-Autobahnverein", ein hundertprozentiger Lobbyistenklüngel von LKW-Speditionen, der IHK, der VM Transport GmbH sowie Baustoffhändlern. Nicht mehr als ein Griff zum Strohhalm ist die dieser Tage von ihm verabschiedete "Uelzener Erklärung", in der gefordert wird, die Baumittel für die A 39 jetzt im nächsten Investitionsrahmenplan der Bundesregierung zu verankern. Oder sollte man sie besser einen Appell der Angsthasen nennen? Ihre Felle sehen sie wegschwimmen angesichts dessen, dass das Bundesverkehrsministerium aufgrund der zwingend notwendigen Haushaltskonsolidierung plant, bis auf wenige Lückenschließer keine neuen Straßen mehr zu bauen. Nicht mal gebaut wie zeitlich geplant wird die Ortsumgehung von Kirchweyhe. Nach Informationen des "Handelsblatt" vom 2.8. und der "TAZ" vom 3.8. sollen die ab 2011 jährlich zur Verfügung stehenden 10 Mrd. Euro bis mindestens 2014 primär für den Erhalt der Verkehrswege investiert werden. Auch die geplante B 190n ist laut Staatssekretär Ferlemann inzwischen vom Tisch. Und die A 250 demnächst in A 39 umzutaufen, dient lediglich der psychologischen Täuschung, dass die 100 km lange "Brücke" zwischen Lüneburg und Braunschweig doch noch geschlossen werden könnte. Den Kampfhunden vom Nordland-Autobahnverein sollte deshalb verantwortungsbewußte Politik besser die Leine anlegen. So einfach, wie sie sich das denken, läuft das nämlich nicht mit der A 39. Quelle: Borvin Wulf in der Allgemeinen Zeitung

Mittwoch, 15. September 2010

Struck altersweitsichtig?

Gibt es doch so etwas wie Altersweitsicht? Der Dachverband der Bürgerinitiativen gegen die A 39 ist jedenfalls positiv überrascht von Dr. Peter Struck.

Der frühere Verteidigungsminister und engagierte Befürworter der A 39 wurde jüngst mit folgender Aussage zitiert: „Man muss bei Großprojekten schon die Frage stellen, ob man aus heutiger Sicht anders entschieden hätte“, räumte Struck mit Blick auf das Großprojekt Stuttgart 21 ein. Wenn es dann bei einem Bürgerentscheid eine Mehrheit gebe, müsse diese auch akzeptiert werden.
In der ARD-Sendung „Anne Will“ äußerte er sich am vergangenen Sonntag im Zusammenhang mit dem Projekt Stuttgart 21 und der dortigen SPD, die gerade versucht, die seinerzeit mitgetragenen Beschlüsse zu verändern, mit den Worten: „Die Geschäftsgrundlage ist weggefallen“. Er bezog sich damit auf die Tatsache, dass dieses Großprojekt mittlerweile das Dreifache der Summe kosten wird, die Grundlage der parlamentarischen Entscheidung war.
„Hier können wir klare Parallelen erkennen zum Großprojekt A 39“, so die Sprecherin des Dachverbands Annette Niemann. „Auch bei diesem Projekt sind die Kosten im Vergleich zu den Werten, mit denen es in den vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans eingestellt wurde, um über 50 Prozent gestiegen!“
Für Stuttgart 21 wird ein Bürgerentscheid gefordert. Die Gegner der A 39 haben keine Bedenken, einen solchen Bürgerentscheid auch für die sinnlose und teure Autobahn durch die Heide zu fordern. „Wir haben keine Angst davor, denn der Widerstand gegen die A 39 ruht auf einer breiten Basis“, so Niemann. Gestützt von Menschen aus allen Bevölkerungsschichten der Region, gelingt es seit sieben Jahren, den Widerstand aktuell und innovativ zu gestalten. „Gern können wir eine Abstimmung wie bei der Anschlussstellenfrage in Bienenbüttel wiederholen“, so Frau Niemann. Quelle: Dachverband KEINE! A39

Sonntag, 12. September 2010

So IST das nicht

Wie, fragt Eckehard Niemann in einem Leserbrief in der Allgemeinen Zeitung, kommt Peter Struck dazu, zu behaupten, der Widerstand gegen die A 39 würde nur von Zugezogenen getragen?

Die Behauptung von Herrn Struck, dass der Widerstand gegen die A 39 vor allem getragen würde von "Leuten, die in die Heide gezogen sind, um hier Ruhe zu haben" zeigt einmal mehr, wie wenig sich der Hindukusch- und Parteienproporz-Stratege um die Geschehnisse in seinem Wahlkreis gekümmert hat. Oder kam z.B. der Hundert-Trecker-Treck gegen die A 39 etwa dadurch zustande, dass sich „Zugezogene“ einen Trecker geliehen oder gekauft hatten!? Wie kamen die vielen Unterschriften in die Anzeigen "Landwirte und Unternehmer gegen die A 39"? Weshalb gab es eine klare Zweidrittelmehrheit bei der Bienenbüttler Bürgerbefragung gegen eine A 39-Auffahrt? Warum hält der massive und breit verankerte Widerstand, bundesweit einer der stärksten gegen ein Straßenbauprojekt, seit nunmehr sieben Jahren unvermindert an? Warum haben an die 300 Bauern und Bürger bereits viele Zehntausende Euro in den Schutz- und Klagefonds gegen die A 39 eingezahlt?
Es geht den Bürgern (zugezogenen und heimischen) natürlich auch um Ruhe und Gesundheit und ebenso um die damit verbundenen Standortfaktoren Tourismus, Kurorte und Gesundheitsbranche. Es geht aber genauso um die Vernichtung und Gefährdung landwirtschaftlicher Betriebe, um die andauernde ideologische Fixierung vieler Lokalpolitiker auf die illusionäre A 39 und deren ebenso illusionäre Effekte und um die Blockade wichtiger Verkehrsprojekte wie den Ausbau der B 4 oder der Ortsumgehung Kirchweyhe durch die A 39. Es geht um Kaufkraftabfluss, sinkende Immobilienpreise, die zunehmende Kriminalität in Autobahnnähe, um ein miserables und immer weiter sinkendes Nutzen-Kosten-Verhältnis, um die Vergeudung von Steuer-Milliarden in ein reines Wahlkampfprojekt und um die Gefährdung von FFH- und Vogelschutzgebieten. Und es geht um Politiker, die abgehoben agieren und auf ihre Karriere schielen, die sich als Befehlsempfänger oberer Parteigremien gerieren und dafür die unsinnige A 39 abnicken und dieses Thema mangels anderer Ideen für unsere Region immer wieder aufwärmen.
Der Titel von Herrn Strucks Buch lautet "So läuft es". Der dankenswerte AZ-Kommentar: „So läuft das nicht“. Auch unser Kommentar: So wird es nicht laufen. Die allein schon Abermillionen teure Planung der Nonsens-A39 wird wohl noch bis zum bitteren Ende durchgezogen werden, um hiesigen Politgrößen einen Gesichtsverlust zu ersparen. 2013 oder schon vorher beim Kassensturz im völlig überzeichneten Bundesverkehrswegeplan wird die unsinnige und nicht finanzierbare A 39 mangels niedersachsen- und bundesweiter Lobby zu Recht ihren Abgesang erfahren.
Kluge und verantwortungsvolle Politiker sollten sich darauf schon jetzt einstellen und Konsequenzen ziehen. Eine absolut fällige Konsequenz kann man auch von Herrn Struck erwarten, nachdem er mittlerweile einräumen muss, dass man bei "manchen Großprojekten" heute anders entscheiden würde, nachdem sein inhaltsleeres Wahlkampf-Spektakel mit der Zusage der Ortsumgehung Kirchweyhe offenbar geworden ist und nachdem er auch seine Zusagen gegenüber dem A 39-Dachverband nicht einhielt: Eine klare Entschuldigung für den Schaden, den er als Mit-Strippenzieher für die A 39 unserer Region zugefügt hat! Quelle: Leserbrief von Eckehard Niemann

Freitag, 10. September 2010

Lobby zeigt sich beratungsresistent

Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) fordert: „A 39 und A 21 raus aus dem Bundesverkehrswegeplan!“ Doch der Nordland-Autobahn-Verein ruft wider besseren Wissens nach Autobahnen.

Erneut macht der Nordland-Autobahn-Verein von sich reden. Er fordert unter anderem die Bereitstellung von Mitteln für den Bau der A 39 und die Heraufstufung der A 21 in den Vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswe-geplans. Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) in Niedersachsen appelliert nun an den Verein, die Pläne aus den 1960er Jahren endlich fallen zu lassen und die Realitäten anzuerkennen. „Die Lage ist eindeutig: die überflüssigen Projekte A 39 und A 21 müssen zugunsten des Bahnnetzes aus dem Bundesverkehrswegeplan verschwinden“, so der stellvertretende VCD-Landesvorsitzende Hans-Christian Friedrichs. Der verlängerte Arm der IHK, der Nordland-Autobahn-Verein (NAV), beharrt in seiner Uelzener Erklärung einmal mehr auf seiner historischen Forderung nach einer Nord-Süd-Autobahn A 39 und einer weiträumigen östlichen Umfahrung Hamburgs, der A 21. „Die IHK und ihr Verein wissen genau, dass die geplante A 39 stetig an Wirtschaftlichkeit verliert. Das Nutzen-Kosten-Verhältnis liegt derzeit bei nur noch 2,5 und hat damit die Eintrittskarte für den Vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans verloren“, erklärt Hans-Christian Friedrichs. Der Bau einer Querspange B 190n zwischen A 39 und A 14 steht ebenfalls auf der Liste des Vereins. „Offensichtlich hat der NAV nicht registriert, dass selbst das Bundesverkehrsministerium das künstlich erdachte Bindeglied zwischen den beiden geplanten Autobahnen längst zu den Akten gelegt und die Nutzung der bestehenden B 71 für sinnvoller erachtet hat. Selbst der Bau der A 14 ist inzwischen wegen erheblicher naturschutzfachlicher Risiken und explodierter Kosten unwahrscheinlich geworden. Nur der NAV träumt da noch von seiner A 39“, so Friedrichs.

„Völlig grotesk wirkt der Ruf nach der A 21 von Bargteheide über eine Elbbrücke bei Geesthacht bis zur A 7 bei Egestorf“, kritisiert Friedrichs. Die A 21 steht derzeit mit einem „festgestelltem hohen ökologischen Risiko“ im Nachrangigen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans. Ein eigens von die IHK in Auftrag gegebenes Gutachten ergab zudem für den Abschnitt von der A 250 bis zur A 7, „... auch die raumstrukturelle Wirkung dieses Abschnitts ist nicht bedeutend. Durch die nur geringen Zeitersparnisse gegenüber der heutigen Verbindung über das Horster Dreieck hat diese Verlängerung der A 21 eine nur geringe Raumwirksamkeit.“
„Wer die Ergebnisse sogar eigener Gutachten kontinuierlich ignoriert und der Öffentlichkeit stattdessen einen verfrühten und maßlose überzogenen Weihnachtswunschzettel präsentiert, darf sich nicht wundern, wenn er nicht mehr ernst genommen wird“, so Friedrichs. Der VCD fordert die IHK und den Nordland-Autobahn-Verein auf, die umwelt- und finanzpolitischen Realitäten anzuerkennen und sich für eine zukunftsfähige, klimaschonende und sozial verträgliche Mobilität auf Basis der Schiene einzusetzen. Quelle: Pressemitteilung des VCD