Um die begrenzten Mittel für den Bau von Autobahnen möglichst effektiv einzusetzen, wurden – zumindest in der Vergangenheit – die Projekte überwiegend aufgrund ihres jeweiligen Nutzen-Kosten-Verhältnisses (NKV) in eine der drei Kategorien eingeteilt: 1. Vordringlicher Bedarf, 2. Weiterer Bedarf, 3. Kein Bedarf.
Im Bundesverkehrswegeplan 1992 hatten nur Projekte des Vordringlichen Bedarfs, also mit einem NKV gr&Öuml;ßer als 3, eine Chance auf Realisierung. Beim Bundesverkehrswegeplan 2003 gibt es die Grenze „NKV gr&Öuml;ßer 3“nicht mehr. Es können nun auch Projekte in den Vordringlichen Bedarf eingestellt werden, wenn eine herausragende raumordnerische Bedeutung des Projekts festgestellt wurde.
Das Berechnungsmodell zur Bestimmung des Nutzen-Kosten-Verhältnisses wird allerdings sehr kontrovers diskutiert, da die berücksichtigten Kategorien von Nutzen (Transportkostensenkung, Kosten der Wegeerhaltung, Beiträge zur Sicherheit, Verbesserung der Erreichbarkeit, regionale Effekte, Umwelteffekte, Hinterlandanbindung, induzierter Verkehr) kaum objektiv zu erfassen und damit gegen die Kosten aufzuwiegen sind. So wird bei der Berechnung des „Erreichbarkeitsvorteils“jede angenommene Stunde, die ein Verkehrsteilnehmer durch eine neue oder ausgebaute Straße einspart, als eine Kostensenkung von 3,83 Euro gerechnet. Wenn zum Beispiel 50 000 PKW pro Tag jeweils 20 Minuten einsparen, ergibt das theoretisch einen jährlichen Nutzen von 23,3 Millionen Euro ohne Berücksichtigung, ob die Verkehrsteilnehmer Geschäftsreisende, Transporteure oder Freizeit- und Urlaubsfahrer sind. Alles in allem haben die Wirtschaftstheoretiker hier eine fragwürdige Berechnungsmethode eingeführt. So findet sich im Berechnungsmodell beispielsweise auch das erleichterte überqueren von Durchgangsstraßen für Fußgänger, errechnet mit Hilfe des „Stundenlohns“von 5,47 Euro.
Die beiden geplanten Bauabschnitte der A 39 „Uelzen-Wolfsburg“und „Lüneburg-Uelzen“werden im Bundesverkehrswegeplan 2003 vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung im Vordringlichen Bedarf gelistet und mit Investitionskosten von 437 Millionen Euro angegeben. Diesen Kosten sollte bei einem NKV von 3,4 ein Nutzen von ca. 1,5 Milliarden Euro gegenüberstehen. Allerdings musste über das NKV der A 39 zunächst spekuliert werden, da dieses nicht spezifiziert, sondern nur „im Paket H-Spange'', also mit der A 14 und der beide Autobahnen verbindenden Querspange durch die B 190n mit 3,4 ausgewiesen wurde. Das Ministerium für Bau und Verkehr des Landes Sachsen-Anhalt hat jedoch im Jahr 2006 die NKV „anteilig“offengelegt (A 14 = 4,6 und B 190n = 3,3). Das NKV der A 39 musste demnach deutlich kleiner ausfallen.
Die Bürgerinitiative „Aktion Lebensberg“ermittelte daraufhin in einer nachvollziehbaren Modellrechnung das Nutzen-Kosten-Verhältnis der A 39 mit lediglich 1,87. Da bei einer Einzelbetrachtung die A 39 mit diesem NKV eigentlich hätte aus dem Vordringlichen Bedarf entfallen müssen, drängte sich der Verdacht auf, dass hier schöngerechnet wurde. Es ergab sich die Frage, ob das eigentlich chancenlose Projekt A 39 nur im Windschatten der A 14 bestehen konnte.
Um diese Frage zu klären, hatte die Fraktion Bündnis90/Die Grünen im September 2006 eine Kleine Anfrage an den Bundestag gerichtet, in deren Antwort wieder nur der NKV für das Gesamtpaket (A 39, A 14, B 190n) mitgeteilt wurde, allerdings verbunden mit dem Hinweis, das Land Niedersachsen werde nach Vorliegen der landesplanerischen Feststellung ein NKV für das Einzelprojekt A 39 ermitteln.
Dies geschah schließlich im November 2008. Aus der Antwort der niedersächsischen Landesregierung auf eine Anfrage der Lüneburger Landtagsabgeordneten Miriam Staudte (Grüne) geht hervor, dass im Vergleich der Nutzen-Kosten-Verhältnisse die Autobahn 39 deutlich hinter der A 14 und der Querverbindung B 190n hinterherhinkt. Das Land beruft sich in seiner Antwort auf aktuelle Berechnungen des Bundesverkehrsministeriums. Demnach erreicht die Strecke der geplanten A 39 zwischen Lüneburg und Wolfsburg einen Wert von lediglich 2,8.
Zufrieden war die Landtagsabgeordnete mit der Antwort der Landesregierung indes nicht. „Gefragt hatten wir nach einem Wert für die A 39, doch der wird weiter schöngerechnet'', wetterte Staudte seinerzeit. Der Grund: In den Wert von 2,8 floss das NKV für den westlichen Teil der B 190n mit ein. „Doch selbst so erfüllt die A 39 allein nicht die Mindestvoraussetzungen für die Aufnahme in den Vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans.“Staudtes ärger war verständlich. Denn die Antwort der Landesregierung enthielt ein Einzel-NKV für den östlichen Teil der B190n. Auch das lag mit 3,5 deutlich über dem von A 39 und westlichem Abschnitt der Querspange. Zudem nährte diese Praxis Staudtes Verdacht, dass mit der Bundesstraße das Autobahn-NKV angehoben werden sollte.
Die Zahlen des Ergebnisberichts zum NKV der A 39 sind teilweise in sich, aber auch im Vergleich mit den Zahlen der Untersuchung für den Bundesverkehrswegeplan 2003 nicht plausibel. So ergeben sich zum Beispiel aus dem Vergleich der Kosten pro Kilometer zwischen A 14 und A 39 einerseits und der Kostensteigerungen von A 14 und A 39 andererseits im Vergleich zu 2003 nicht nachvollziehbare Unterschiede. Auch der Annuitätenfaktor ist zu niedrig angesetzt und weicht von dem von 2003 deutlich ab. Darüber hinaus bleibt die Zusammensetzung der „sonstigen Kosten“unklar und eingerechnete Werte für Kosten und Nutzen der Teilprojekte B 189 und B 71 sind nicht aufgeführt. Insbesondere der Versuch einer Ermittlung durch Differenzbildung führt hier zu nicht nachvollziehbaren Zahlen. Es ist außerdem nicht ersichtlich, wie der im Ergebnisbericht für den NKV der A 39 angegebene Preisindex für die Nutzenpositionen ermittelt und angewandt wurde. Bei den Nutzenpositionen der A 39 erscheint darüber hinaus der induzierte Verkehr als zu gering, die Umwelteffekte dagegen als zu hoch angesetzt. Und schließlich ist die Steigerung des Nutzens der A 14 im Vergleich zu 2003 nicht nachvollziehbar.
Aus dem Bundesverkehrsministerium gab es auf Anfrage keine Informationen, die zur Klärung dieser Fragen beitragen konnten. Wir konnten also nur mit den uns vorliegenden Daten des Ergebnisberichts arbeiten und kommen zu dem Ergebnis, dass das im Ergebnisbericht genannte NKV für die A 39 von 2,78 zu hoch angesetzt ist. Realistischer erscheint ein NKV von deutlich unter 2, wahrscheinlich nahe 1 oder sogar unter 1.