Die Weichen für ein neues Mehrheitsbündnis im Lüneburger Kreistag sind gestellt. Der siebenseitige Koalitionsvertrag zwischen SPD und Grünen steht bis auf einige kleine redaktionelle Veränderungen.
Wie berichtet, war die bisherige Mehrheitsgruppe aus CDU, SPD und Unabhängige Anfang Juni gescheitert, weil einige CDU-Kreistagsabgeordnete dem Lüneburg-Vertrag ihre Zustimmung verweigerten. Grund der Ablehnung war eine Regelung zu den Jugendhilfe-Kosten in dem Finanzvertrag zwischen Stadt und Landkreis Lüneburg.
Bei den rot-grünen Koalitionsverhandlungen saßen die beiden Fraktionsvorsitzenden Franz-Josef Kamp (SPD) und Martin Köne (Grüne) mit am Tisch. Beide loben die Gesprächsatmosphäre. Kamp: "Sie war gut und harmonisch. Beide Parteien waren gut vorbereitet. Die Chemie zwischen unseren und den grünen Kreistagsabgeordneten stimmt." Köne schließt sich der Einschätzung seines Kollegen von der SPD an. ,,Es ging freundschaftlich und vertrauensvoll zu, obwohl wir auch unsere unterschiedlichen Standpunkte deutlich ausgetauscht haben", sagt der grüne Fraktionschef.
Er teilt zudem die Auffassung Kamps, das rot-grüne Bündnis im Kreistag sei eine politische Wunsch-Ehe, die dem Wählerwillen entspreche, weil es im Landkreis bei Wahlen immer eine Mehrheit links der Mitte gebe. "Auch unsere weiterhin bestehenden Meinungsverschiedenheiten werden die Koalition weder jetzt, noch später in Gefahr bringen, weil wir sie benannt haben und deshalb auch, wenn es sein muss, unterschiedlich abstimmen", so Köne.
Das wird der Fall sein, wenn es um die Themen A 39 und Elbbrücke geht. Kamp: "Die A 39 ist der größte Knackpunkt. Wir wollen sie, die Grünen nicht." Das akzeptiere die SPD. "Wir sind gegen die A 39, aber können im Kreistag bis auf Resolutionen nichts entscheiden", sagt Köne.
Auseinander liegen die beiden Partner auch beim geplanten Bau der Elbbrücke bei Neu Darchau. "Auf einen gemeinsamen Nenner konnten wir uns nicht einigen", so der Chef der grünen Kreistagsfraktion. Aber bei den Folgekosten für eine mögliche Brücke seien beide Parteien zusammengekommen, sagt Kamp. "Das Land ist in der Pflicht. Die Unterhaltungskosten dürfen nicht beim Kreis hängen bleiben", sagt er. Und bevor das Land keine Zusage für die Übernahme der Kosten gemacht hat, werde es auch keinen Spatenstich für das Projekt geben, glaubt Köne.
Auf einer Wellenlänge liegen SPD und Grüne bei dem Aufbau einer Bildungskette im Landkreis, in der die Bildungseinrichtungen von der Krippe bis zur Universität inhaltlich besser vernetzt werden sollen. Auch die Schulsanierungen gehen im schon geplanten Umfang weiter.
Einig ist sich Rot-Grün darüber, dass im Landkreis eine zweite Gesamtschule eingerichtet werden soll. "Weil der Bedarf da ist und die Schulform akzeptiert wird, wie die erste Gesamtschule in Kaltenmoor zeigt. Sie ist so überzeichnet, dass sogar Losentscheide nötig waren für die letzten freie Plätze", sagt Kamp. Seinen Worten zufolge wolle die Mehrheitsgruppe eine Elternbefragung so schnell wie möglich vorbereiten, sodass diese im kommenden Jahr über die Bühne gehen kann. "Der Elternwille entscheidet, ob es eine zweite Gesamtschule geben wird - und wenn ja, in welcher Form: integriert oder kooperativ."
Beim Klima- und Umweltschutz schwebt der Koalition ein hundertprozentig energieautarker Landkreis vor. "Das klingt spinnert, ist aber machbar. Der Strom aus erneuerbaren Energieträgern soll bei uns im Landkreis produziert werden", sagt Kamp. Zudem sollen alle öffentlichen Gebäude des Landkreises künftig mit Öko-Strom versorgt werden.
Auf die Neugestaltung der Landschaftsschutzgebiete wollen die Grünen ein besonderes Auge werfen. Deshalb hat Rot-Grün eine Arbeitsgruppe für die Aufgabe ins Leben gerufen. Neu bestellt werden soll auch ein Radwege-Beauftragter in der Kreisverwaltung. "Weil wir mehr Radwege bauen wollen", so Kamp. Überdies sei geplant, alternative Beförderungsmodelle beim ÖPNV in der Peripherie zu schaffen. Innovative Lösungen in anderen Landkreisen sollen deshalb überprüft werden.
Bei der Haushaltspolitik ist der Weg klar vorgegeben. Intelligentes sparen haben sich die Koalitionäre auf die Fahnen geschrieben. "Aber wir müssen uns nichts vormachen. Wir werden den Haushalt nicht ausgleichen können", sagt Kamp. Sehr wohl sei es jedoch möglich, Ausgaben zu verschieben, indem Investitionen über mehrere Jahre gestreckt werden. "Das geht bei den Schulsanierungen problemlos, weil meistens nur in den Ferien saniert werden kann", so der SPD-Fraktionschef.
Martin Köne lässt keinen Zweifel daran, dass das Koalitionspapier für einen Zeitraum über die nächste Kommunalwahl im kommenden Jahr hinaus aufgesetzt worden sei. "In nur einem Jahr kann man höchstens die Weichen für Projekte stellen, sie aber erst umsetzen, wenn der zeitliche Horizont da ist", sagt er. Das rot-grüne Bündnis sei für einen längeren Zeitraum geplant. "Wenn der Wähler es so will", so Köne. Und Franz-Josef Kamp ergänzt: "Wir haben die Weichen für die nächsten fünf Jahre in der Gruppenvereinbarung gestellt." Zunächst wird Rot-Grün aber ein Jahr lang mit nur einer Stimme Mehrheit im Kreistag regieren - mit der von Landrat Manfred Nahrstedt (SPD). Quelle: Hamburger Abendblatt