Hans-Christian Friedrichs aus Reppenstedt ist neuer Sprecher des
Dachverbandes der Bürgerinitiativen gegen die Autobahn 39. Die
Regionalausgabe Lüneburg des Hamburger Abendblattes sprach mit ihm über
die Ziele und die Erfolgsaussichten der Bürgerinitiativen in der
Auseinandersetzung um die geplante A 39.
Hamburger Abendblatt:
Auf
den ersten Blick scheint es, als habe der Widerstand gegen die geplante
Autobahn zwischen Lüneburg und Wolfsburg in der Bevölkerung abgenommen.
Das Thema A 39 ist weitgehend aus den Schlagzeilen verschwunden.
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Hans-Christian Friedrichs |
Hans-Christian Friedrichs: Das sehe ich etwas anders. Anfangs gab es
viele potenziell Betroffene, schließlich existierten zunächst zwei
Vorschläge für eine Trassenführung der A 39 durch die Region. Inzwischen
haben die Behörden sich auf eine Trasse östlich von Lüneburg
festgelegt, deswegen ist die Zahl der Betroffenen gesunken. Bei den
direkt von der Planung Betroffenen hat der Widerstand gegen das Projekt
aber überhaupt nicht nachgelassen.
Rechnen Sie angesichts der knappen Kassen beim Bund überhaupt mit
einer Umsetzung des Projekts? Das Bundesverkehrsministerium hat die
Mittel für den Straßenausbau in den kommenden fünf Jahren gestrichen.
Friedrichs: Richtig, es gibt einen Entwurf im Bundesverkehrsministerium,
der dies vorsieht. Allerdings wird die A 39 möglicherweise dennoch
profitieren. Demnächst sollen Mittel für die ersten 13 Autobahnkilometer
bei Wolfsburg genehmigt werden. Ich vermute, dass die Behörden hier
eine Salamitaktik verfolgen. Sie beginnen mit dem Projekt dort, wo am
wenigsten Widerstand in der Bevölkerung erwartet wird. Bis das Vorhaben
weiter im Norden, beispielsweise in Bienenbüttel, Planungsreife
erreicht, vergehen ohnehin weitere fünf Jahre. Über diesen Zeitraum
hinaus wirkt der Planungsstopp des Ministeriums überhaupt nicht. Wir
brauchen als Autobahngegner einen langen Atem. Auch gegen den Bau der A
49 in Hessen gibt es heftigen Widerstand. Dennoch frisst sich die
Autobahn langsam durch das Land.
Dabei hat das Ministerium doch gerade verkündet, Straßenerhaltung sei derzeit wichtiger als der Neubau.
Friedrichs: Ich hoffe, dass diese Erkenntnis sich irgendwann auch auf
Dauer durchsetzt, zumal die Kosten der geplanten A 39 hoch sein werden,
ihr Nutzen dagegen denkbar gering. Drei Milliarden Euro an Kosten für
die gesamte Strecke, 30 Millionen Euro pro Autobahnkilometer inklusive
aller Folgelasten wie zum Beispiel Prozesskosten. Sogar der
CDU-Wirtschaftsrat veranschlagte bereits 2007 durchschnittlich 26,8
Millionen Euro Erstellungskosten pro Autobahnkilometer. Da kann der
Nutzen einer solchen Trasse niemals mithalten, es ist eine reine
Verschwendung von Steuergeldern. Es gibt auch keine positiven
Auswirkungen auf den ländlichen Raum. Eine Bundesautobahn bringt keine
Neuansiedlung von Unternehmen. Die Betriebe verlagern nur ihren
Standort, um dichter an die Autobahn heranzukommen. Kleinere Betriebe in
der Fläche machen dagegen dicht, das heißt, auf dem Land geht
Infrastruktur verloren.
Der Dachverband geht davon aus, dass die A 39 auch deshalb nicht
gebraucht werde, weil der Verkehr auf der besonders belasteten
Bundesstraße 4 insgesamt gesunken sei.
Friedrichs: Die Zahlen, die das belegen, kommen von der Bundesanstalt
für Straßenwesen. Sie hat das Verkehrsaufkommen gezählt. Danach hat der
Schwerlastverkehr im Zeitraum von 2005 bis zum Jahr 2010 im Schnitt um
30 Prozent nachgelassen. Der Individualverkehr zwischen Lüneburg und
Uelzen ist um fünf Prozent gesunken. Meiner Ansicht nach haben Maßnahmen
wie die Sperrung der Bundesstraße 4 für den Transit-Schwerlastverkehr
gegriffen. Das beweist, dass eine Lenkung des besonders belastenden Lkw-
Verkehrs auch ohne den Bau einer neuen Autobahn möglich ist.
Und wo ist der Schwerlastverkehr geblieben? Die Zahl der Transporte auf der Straße ist nicht signifikant gesunken.
Friedrichs: In jedem Fall haben die Bahntransporte stark zugenommen, das
belegen die Zahlen der Bahn. Wir müssen uns entschließen, Warenströme
in Zukunft grundsätzlich anders zu lenken. Die Vermeidung von Verkehr
muss im Mittelpunkt unserer Konzepte stehen. Was das anbelangt, gibt es
noch viel Potenzial.
Auch Güterverkehr auf der Schiene kann die Anwohner mit Lärm
belasten. Gegen große Bauvorhaben der Bahn gibt es deshalb ebenfalls
massiven Widerstand.
Friedrichs: Der Transport auf dem Schienenweg ist deshalb auch nur dort
eine Alternative, wo die Bahnstrecke durch bevölkerungsarme Gegenden
führt, wie zum Beispiel bei der Wendland- Bahn. Im Übrigen sollte der
Ausbau des Schienennetzes natürlich mit passivem Lärmschutz und den Lärm
dämmenden Maßnahmen an den Güterzügen erfolgen.
In Lüneburg gibt es unter den Bewohnern der Stadtteile Moorfeld und
Lüne eine lebhafte Diskussion um den Bau eines Tunnels über die A 39 in
Höhe des Stadtteils Moorfeld. Die Anwohner wünschen sich diese
Schutzmaßnahme dringend, aber sie wäre teuer. Wird der Tunnel Ihrer
Meinung nach gebaut?
Friedrichs: Der Dachverband der Bürgerinitiativen gegen die A 39 ist
bedingungslos für den Bau dieses Tunnels. Die Anwohner haben Lärmschutz
verdient, er ist dringend erforderlich. Dafür brauchen wir die A 39 aber
absolut nicht. Natürlich sind die Kosten ein Problem. Wie man in
Hamburg an dem schon lange diskutierten Deckel für die Autobahn 7 sieht,
sind die Kosten bei solchen Projekt ein echter Hinderungsgrund.
Quelle: Hamburger Abendblatt