Leserbrief eines betroffenen Landwirts in der Allgemeinen Zeitung zum Besuch von Landwirtschaftsminister Lindemann in Oetzendorf. Tenor: Die A 39 trifft die Landwirtschaft hart!
Der Bau der A 39 soll die Hamburger Hafenanbindung verbessern. Die Hafenwirtschaft erwartet, dass das Containeraufkommen weiter steigt, und will den Abtransport per LKW Richtung Süddeutschland und dem südöstlichen Ausland verbessert sehen. Auch VW befürwortet die Autobahn. Das Werk in Wolfsburg möchte bequem und zu jeder Zeit Zulieferungen erhalten – Produktion „just in time“. Viele Lokalpolitiker träumen außerdem noch immer davon, dass die Autobahn den wirtschaftlichen Aufschwung zwischen Lüneburg und Wolfsburg bringen könnte. Seit den 80er Jahren aber bringen Autobahnen den betroffenen Regionen keinen zusätzlichen Wohlstand mehr, sondern nur Kosten. Und welchen hohen Preis müsste unsere Region zahlen? Die Autobahn 39 zwischen Lüneburg und Wolfsburg hat eine Länge von 105 Kilometern, eine Breite von 50 Metern. Allein die Fahrtrasse verbraucht eine Fläche von 526 Hektar. Hinzu kommen zwei Tank- und Rastanlagen mit jeweils 25 Hektar Größe (bei den Orten Hohnstorf und Wollersdorf) und weitere fünf Standorte (Bahrendorf, Rätzlingen, Kattien, Ehra und Jembke) für Parkflächen mit WC zu je 10 Hektar. Alles in allem würde für die A 39 eine Gesamtfläche von 626 Hektar versiegelt werden. Außerdem: Als Ausgleichsfläche für den Naturschutz muss in der Region noch einmal die dreifache Fläche gefunden werden. Somit gingen durch den geplanten Autobahnbau insgesamt 2500 Hektar an landwirtschaftlich oder forstwirtschaftlich genutzten Flächen verloren – fast alles zu Lasten der Privatwirtschaft. Staatliche Flächen, wie die Standortschießanlage in Wendisch-Evern oder der nicht mehr benötigte Truppenübungsplatz Ehra-Lessin werden gar nicht einbezogen oder möglichst geringfügig in Anspruch genommen. Eine bittere Perspektive für die Landwirte. Willigen sie nicht in den Verkauf ihrer Flächen ein, hat der Staat die Möglichkeit, sie zu enteignen. Die angebotenen Entschädigungszahlungen sind derzeit 10 000 Euro pro Hektar niedriger, als die Summe, die die Landwirte hinlegen müssten, um entsprechende Flächen wieder neu zu kaufen. Aufgrund des akuten Flächenmangels in der Region wäre dies auch gar nicht möglich. Durch die unzureichende Entschädigung werden die Landwirte allein bei diesem Autobahnbau um ein Vermögen in Höhe von 25 Millionen Euro gebracht. Das ist nicht hinnehmbar. Das alles plant eine Gesellschaft, die von den Landwirten (mit Recht) wirtschaftliches Handeln fordert sowie gesunde und ökologisch erzeugte Lebensmittel. Schließlich sollen die Bauern mit dazu beitragen, die Weltbevölkerung zu ernähren. Sind solche Projekte wie die A 39 wirklich noch zeitgemäß? Der Bau mit fraglichem Nutzen würde Millionen oder sogar vielleicht sogar eine Milliarde verschlingen. Während auf der anderen Seite das Geld fehlt, um für vorhandene Autobahnen den Winterdienst zu gewährleisten. So wären beispielsweise drei Milliarden Euro nötig, um die vorhandenen Brücken zu renovieren. Ganz zu schweigen davon, dass die Möglichkeiten der Modernisierung vorhandener Infrastrukturen noch gar nicht genutzt werden. Fazit: Es ist nur allzu verständlich, wenn jeder engagierte Landwirt zum Autobahngegner wird. Quelle: Leserbrief von Reinhard Meyer in der AZ