Röttgen: Wiedervernetzung dient Naturschutz und Verkehrssicherheit - An den wichtigsten Stellen der Wanderstrecken wilder Tiere Querungshilfen über Verkehrswege errichten - NABU begrüßt Pläne zur wildtierfreundlichen Verkehrswegeplanung.
Die Bundesregierung wird mit einem „Bundesprogramm Wiedervernetzung“ an den wichtigsten Stellen der Wanderstrecken wilder Tiere Querungshilfen über Verkehrswege errichten. Das kündigte Bundesumweltminister Norbert R ö t t g e n am vergangenen Dienstag auf einer gemeinsamen Tagung von Bundesumweltministerium und ADAC in Berlin an. „Verkehrswege zerschneiden zunehmend die Lebensräume von Tieren“, stellte Röttgen fest. Das sei einerseits eine Bedrohung für wilde Tiere und damit für die biologische Vielfalt. Das sei aber auch zunehmend eine Gefährdung von Menschenleben, denn damit steige im Straßenverkehr das Risiko von Wildunfällen. Mit dem Bundesprogramm Wiedervernetzung würden die Anliegen des Naturschutzes und der Verkehrssicherheit zusammengeführt. Das von Bundesumweltministerium und Bundesverkehrsministerium geplante nationale Programm für die Wiedervernetzung von Lebensräumen ist nach Ansicht des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) „ein Schritt in die richtige Richtung“. Da die Wirksamkeit von Grünbrücken, Durchlässen und Wanderkorridoren für Wildtiere erwiesen sei, müssten jetzt schnell mindestens 125 der wichtigsten Konfliktpunkte entschärft und mit Querungshilfen für wandernde Tierarten durchlässig gemacht werden, forderte NABU-Präsident Olaf T s c h i m p k e anlässlich der Tagung von Bundesumweltministerium und ADAC zur Wiedervernetzung von Tierlebensräumen vergangene Woche in Berlin.
Wissenschaftliche Grundlagen
Das deutsche Straßennetz gehört laut Bundesumweltministerium zu den dichtesten in Europa. Entsprechend stark ist die Zerschneidung der Lebensräume wilder Tiere, und das wiederum hat ein vergleichsweise hohes Unfallrisiko durch Wildwechsel zur Folge. Mehr als 3 000 Menschen werden in Deutschland in jedem Jahr bei Wildunfällen verletzt; mehr als 20 Menschen kommen dabei ums Leben. Der Deutsche Jagdschutz-Verband (DJV) rechnet mit mindestens 250 000 Kollisionen mit Tieren in jedem Jahr. Wildunfälle verursachen jährlich einen Sachschaden von rund 500 Mio Euro. Aber auch die biologische Vielfalt ist dem Ressort zufolge durch die zunehmende Zerstückelung von Lebensräumen in hohem Maße bedroht. Auf der Tagung von Bundesumweltministerium und ADAC wurden aktuelle Forschungsergebnisse im Auftrag des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) zu den Lebensraumkorridoren in Deutschland vorgestellt. Erstmals liegen damit Informationen über die wichtigsten Lebensraumkorridore wildlebender Tiere in Deutschland vor. Sie bilden die wissenschaftliche Grundlage für das im Koalitionsvertrag vereinbarte Bundesprogramm Wiedervernetzung, das derzeit gemeinsam von Bundesumweltministerium und Bundesverkehrsministerium entwickelt wird.
Im Verkehrsetat eingeplant
Das Bundesprogramm Wiedervernetzung wird die unterschiedlichen Aspekte der Vernetzung der biologischen Vielfalt in Deutschland und in Europa behandeln, so beispielsweise bei Verkehrsplanung und -investitionen, Naturschutz, Raumordnung, Forschung, Bewusstseinsbildung sowie bei der internationalen Zusammenarbeit, kündigte das Bundesumweltministerium an. Die Investitionen für Querungshilfen sollen auf der Grundlage einer Prioritätenliste, die aus bundesweiter Sicht die wichtigsten Wiedervernetzungspunkte umfasst, durchgeführt werden. Im Verkehrsetat für das Jahr 2010 sind für solche Maßnahmen bereits die haushaltsrechtlichen Voraussetzungen geschaffen worden. Im Vorgriff auf das Bundesprogramm ist geplant, bis 2011 im Rahmen des Konjunkturpakets II in 17 Maßnahmen, vorwiegend sogenannte Grünbrücken, rund 69 Millionen Euro zu investieren.
Schäden minimieren statt neue Straßen zu bauen
Die Finanzierung könne durch die Streichung unrentabler Straßenbauprojekte erreicht werden; unnötige Bauvorhaben, zum Beispiel die Fehmarnbeltquerung, seien in Zeiten knapper Kassen ohnehin nicht zu verantworten, erklärte Tschimpke. Der Bau eines durchschnittlichen Autobahnkilometers koste 26 Mio Euro. Dafür ließen sich zehn Querungshilfen wie zum Beispiel Grünbrücken und ihre Einbindung in die umliegenden Biotope finanzieren, rechnete Tschimpke vor. „Wir brauchen keine neuen Straßen, sondern müssen die Schäden der Vergangenheit minimieren“, so der NABU-Präsident. Wer biologische Vielfalt und Lebensqualität für Menschen erhalten wolle, müsse die Wiedervernetzung von Lebensräumen über Deutschlands Infrastruktur hinweg voranbringen. Der NABU hatte bereits 2007 mit seinem Bundeswildwegeplan eine erste Liste der 125 notwendigsten Querungshilfen vorgestellt. Quelle: Agra Europe