Schlechte Nachrichten für die Bauwirtschaft: Ein interner Vermerk des Verkehrsministeriums belegt, dass der Bund bis auf weiteres keine neuen Straßen, Schienen und Wasserwege mehr bauen will. Die Branche ist alarmiert - und schlägt vor, die Autofahrer zur Kasse zu bitten.
Dramatischer hätten die Beamten von Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) die Lage nicht formulieren können: Der Finanzplan, mit dem der Bund 80 Mrd. Euro bis 2014 einsparen will, stellt "einen Wendepunkt in der Haushalts- und Finanzpolitik dar", notierten sie in einem Vermerk Anfang Juli. Wenige Zeilen später erklärten sie, was dies etwa für die Autobahnen bedeutet: "Es ist insoweit auch mit der Streckung von laufenden Vorhaben zu rechnen. Neubeginne von Maßnahmen werden in den Hintergrund treten müssen."
Der Baustopp gilt auch für die Schiene und die Wasserwege. "Neubeginne sind derzeit nicht möglich", heißt es in dem Vermerk. Es gehe darum, sich "auf laufende Vorhaben sowie auf die Erhaltung" zu konzentrieren. Galten früher Investitionen in Beton als Rechtfertigung, um neue Schulden aufzunehmen, so gilt dies nicht mehr. Ramsauer darf nur noch zehn Mrd. Euro in die Verkehrswege investieren - wozu auch die Pflege der rund 100 000 Kilometer Bundesstraßen, Fernstraßen und Autobahnen gehört. Zu wenig, um noch großartig neu zu bauen. Also passiert, was Experten seit langem fordern: Der Bund stopft lieber Schlaglöcher, anstatt noch ein Dorf an die Autobahn anzuschließen.
Der Wandel setzt auch in den Ländern ein. Schleswig-Holstein hat bereits beschlossen, keine neuen Straßen mehr zu bauen. Hessen hat rund 70 Vorhaben auf Eis gelegt. "Wir werden keine Projekte streichen, aber manche zeitlich strecken müssen, um sie überhaupt realisieren zu können", begründet Verkehrsminister Dieter Posch (FDP). Andere Länder stellen gerade ihre Haushalte auf und hoffen wie Rheinland-Pfalz, das Volumen der Vorjahre "halten" zu können, wie Wirtschafts- und Verkehrsminister Hendrik Hering (SPD) sagt. Zumindest Sachsens Verkehrsminister Sven Morlok (FDP) freut sich, dass er nicht kürzen muss: "Die Infrastruktur ist ein wichtiger Standortfaktor und Voraussetzung für Wachstum und Arbeitsplätze." Sachsen wolle "nicht an der falschen Stelle sparen", sagt er. Der Trend aber geht in die andere Richtung.
Verkehrsminister Peter Ramsauer will eigentlich noch 800 Kilometer Autobahn neu, und 1 600 Kilometer von vier auf sechs Spuren ausbauen. "Um angesichts der angespannten Haushaltslage finanziellen Freiraum bei Neubauprojekten der Verkehrsträger zu schaffen, denken wir über private Finanzierungswege nach", sagt sein Staatssekretär Klaus-Dieter Scheurle. Darauf setzt auch die Bauwirtschaft. Allerdings zahlt der Bund letztlich auch, wenn er den Autobahnbetrieb an Private abgibt. Schon heute stehen beim Bund 16 Mrd. Euro in den Büchern, die er wegen privat finanzierter Projekte in den kommenden Jahren abstottern muss.
Ohnehin gibt es Zweifel, ob noch so viele Verkehrswege nötig sind. Zwar wächst der Verkehr. Doch damit ist nicht zwingend auch der Bau neuer Autobahnen verbunden. Experten gehen davon aus, dass das Land maximal noch 200 Kilometer Straße benötigt, zu denen etwa Lückenschlüsse wie auf der A 40 von Osnabrück nach Bielefeld gehören. Dann ist das Verkehrsnetz optimal - abgesehen von den Schlaglöchern, die durch den Verschleiß entstehen.
Dann würden auch die 9,75 Mrd. Euro ausreichen, mit denen Ramsauer jetzt für 2011 planen kann. "Der Haushaltsansatz ist ausreichend, wenn man die Effizienzreserven hebt", sagt der Verkehrsberater Frank Schmid. Nach seinen Berechnungen könnte der Bund bei unnötigen Neubauvorhaben wie Ortsumgehungen oder dem Ausbau der A 20 rund 5,5 der dafür vorgesehenen 12,8 Mrd. Euro einsparen.
Mit einem besseren Baustellenmanagement ließe sich zusätzlich Geld sparen, wie auch beim Einsatz von Verkehrsleitsystemen, die etwa in Stauzeiten die Standspuren freigeben. So ließe sich der Ausbau der Straße zumindest hinauszögern. Es bliebe wieder mehr Geld übrig, um in die Pflege der Straßen zu investieren. In den vergangenen Jahren haben Verkehrsminister aber lieber Haushaltsgelder für Reparaturen umgeschichtet in den Neu- und Ausbau. In manchen Jahren fehlten so bis zu 700 Mio. Euro für den Unterhalt, was sich inzwischen bemerkbar macht.
Für die Bauwirtschaft ist der Wandel keine gute Nachricht. "Solange die laufenden Projekte noch abgewickelt werden, halten sich die Folgen in Grenzen", sagt Herbert Bodner, Präsident des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie: "Danach werden sich vor allem im Autobahnausbau Lücken auftun, die nicht ohne Rückwirkungen auf die Umsätze und die Beschäftigung in der deutschen Straßenbauindustrie bleiben werden." Auch wirke sich ein Baustopp auf die Konjunktur aus. "Unsere Verkehrsinfrastruktur darf nicht zur Wachstumsschranke werden", warnt Bodner, der zugleich Vorstandschef des Baukonzerns Bilfinger Berger ist.
Also setzt die Bauwirtschaft auf das Motto: "Weiter so", um sich Aufträge zu sichern. Bodner schlägt deshalb vor, die Autofahrer zur Kasse zu bitten. Langfristig sei eine Pkw-Maut nötig, "wenn mittelfristig ein Abrutschen der Verkehrswegeinvestitionen verhindert werden soll", sagt er. Quelle: Handelsblatt