Mittwoch, 22. Juni 2011

Kollaps aus Geldmangel

Experten: Infrastruktur im Norden ist massiv unterfinanziert. Das Deutsche Verkehrsforum sieht in seinem neuesten Bericht eine Lücke von 19,8 Milliarden Euro zwischen dem Plan und dem Ist des Ausbaus der Verkehrswege
Schon heute gehören Dauerstaus, Zugverspätungen und überfüllte Busse in Hamburg zum Alltag. Doch das ist nichts im Vergleich dazu, was den mobilen Menschen im Norden in der Zukunft erwartet. Jüngsten Untersuchungen zufolge bleibt der Ausbau von Straßen, Schienen und Wasserwegen weit hinter dem erwarteten Verkehrsaufkommen zurück. Ganz besonders betrifft das den Norden Deutschlands.
Die Prognosen der deutschlandweiten Verkehrsverflechtungen sind bekannt, und sie werden jährlich angepasst: Obgleich die deutsche Bevölkerung bis 2025 um rund ein Prozent abnimmt, wächst der Warentransport rasant an. Der Straßengüterverkehr wird nach den Angaben des Bundesverkehrsministeriums um 27 Prozent zulegen, der Schienengüterverkehr um 34 Prozent. Schaut man sich allerdings die Hinterlandanbindungen der deutschen Seehäfen an, ergibt sich ein viel düstereres Bild: Der Seehafenhinterlandverkehr wird um 131 Prozent zunehmen, die Verkehrsleistung in Tonnenkilometern sogar um 168 Prozent. Besonders betroffen: die Metropolregion Hamburg.
Nicht viel besser sieht es im Personenverkehr aus. Das Bundesverkehrsministerium hat in der Bedarfsüberprüfung 2010 festgestellt, dass der Personenverkehr zwischen 2015 und 2025 in keinem Bundesland so stark ansteigen wird wie in Hamburg - nämlich um 37 Prozent. An zweiter Stelle liegt die Stadt Bremen, deren Verkehrsnachfrage um 24,3 Prozent steigen wird. Im Bundesdurchschnitt gehen die Verkehrsplaner von einer Zunahme der Personenfahrten um 13 Prozent aus.
Dies alles wäre kein Problem, wenn die Verkehrsinfrastruktur im gleichen Maße wie das Aufkommen wachsen würde. Doch davon ist Deutschland meilenweit entfernt. Besonders düster ist das Bild, dass das Deutsche Verkehrsforum jetzt in seinem Jahresbericht 2010/11 zeichnet. Der gültige Bundesverkehrswegeplan von 2003 ist demnach massiv unterfinanziert.
Ein dem Verkehrswachstum angemessener Ausbau der Infrastruktur würde rund 150 Milliarden Euro in zehn Jahren verschlingen. Dazu müsste der Bund jährlich rund zehn Milliarden Euro im Zeitraum von 2000 bis 2015 bereitstellen, heißt es in dem Bericht des Forums, dem rund 170 führende europäische Unternehmen angehören. Außer in den Jahren 2009 und 2010 blieben die Bundesausgaben aber immer deutlich darunter. Zudem sind die Preise im Verkehrwegebau allein in den vergangenen fünf Jahren um 18 Prozent gestiegen. Dadurch wird sich bis 2013 eine gewaltige Finanzierungslücke von 19,8 Milliarden Euro ergeben (siehe Grafik). Anders gesagt: Schon im Vergleich zum derzeitig gültigen Bundesverkehrswegeplan hängt der Ist-Zustand deutlich zurück. Und mit jedem Jahr wird es schlimmer.
Verkehrsexperten rechnen kaum noch damit, dass das Defizit noch einmal aufgeholt werden kann. "Wir bauen dem aktuellen Bedarf hinterher und stürzen sehenden Auges in einen Stillstand", sagte Carsten Willms vom ADAC Hansa. "Wenn jetzt gerade im Straßenbau das Ruder nicht herumgerissen wird, ist der Kollaps unausweichlich."
Der ehemalige Wirtschaftsminister von Schleswig-Holstein und Vorstand der Wirtschaftsvereinigung HanseBelt, Bernd Rohwer, warnt ebenfalls vor der Staufalle. Der Wirtschaftsprofessor sagt voraus, dass der Norden von dieser Staufalle überproportional betroffen sein wird. "Hinzu kommt, dass die norddeutschen Länder im laufenden Verkehrswegeplan schlechter bedacht wurden als andere. "Deshalb müssen die Nordländer dringend beim Bund gemeinsam für mehr Mittel werben", sagte Rohwer. Quelle: Die Welt


Kommentar der Redaktion:
Jeder kann sich für seine Ziele einsetzen und diese öffentlich vertreten, das geht völlig in Ordnung. Wer diesen Artikel liest sollte sich allerdings auch die Frage stellen, wer sich für diese Ziele einsetzt und diese Presseerklärung herausgegeben hat. Bei der Recherche stellt sich schnell heraus, dass die Mitglieder des Deutsche Verkehrsforum Unternehmen sind, die alle am Autobahnbau partizipieren. Seien es Logistikunternehmen, Bauunternehmen, die Zementindustie, Autohersteller, Mineralölgesellschaften, Banken, die Industrie und die Automobilclubs. Alle verfolgen natürlich nur völlig uneigennützig "gesellschaftliche" Ziele und in "keinster Weise" eigene Geschäftsinteressen. Sie berufen sich übrigens auf genau die Verkehrsprognosen, die wir im Rahmen des A39-Planverfahrens anzweifeln.