Es lohnt sich, die Frage zu stellen nach dem „Ob“ und dem „Wozu“ der A 39. Es gibt eine ganze Reihe von Fakten, und die lassen dem klar denkenden Menschen das Lachen im Halse stecken. Ein Kommentar von Andreas Conradt.
Dieser Tage wurde mit großem Medienrummel bekanntgegeben, wo entlang der geplanten A 39 zwischen Lüneburg und Wolfsburg die neuen Parkplätze und Rastanlagen entstehen könnten. Bürgermeister an der geplanten Trasse waren erfreut oder enttäuscht – je nach dem, ob sie sich von der nahegelegenen Raststätte Profit versprechen oder „leer“ ausgegangen sind. Dem unbedarften Leser mag es dabei so vorgekommen sein, als ob es nur noch um das „Wann“ und „Wie“ der Autobahn und der Tankstellen ginge. Es lohnt sich aber nach wie vor, die Frage zu stellen nach dem „Ob“ und dem „Wozu“. Aller semantischer Kunstgriffe medienwirksamen Neu-Sprechs zum Trotz gibt es nämlich noch eine ganze Reihe von schnöden Fakten, und die lassen dem klar denkenden Menschen ohne werbe- und politikervernebeltem Hirn das Lachen im Halse stecken.
Noch ist nämlich völlig unklar, ob diese Autobahn tatsächlich jemals gebaut wird. Wirtschaftsboom hin, Exportweltmeister her – die Schuldenlast von Bund, Land, Kreis und Kommune ist so groß wie noch nie seit Bestehen der Republik. Wenn jetzt von einer Aufhellung des Wirtschaftsklimas gesprochen wird, dann heißt das im Klartext, dass die Lage allerorten nicht gar so dramatisch ausfällt, wie ursprünglich angenommen, - aber dramatisch bleibt sie trotzdem. Irgendwie kommt hier die Sprache nicht mehr mit. Welcher Superlativ ist geeignet, die desaströse Finanzlage dieses Landes zu beschreiben, wenn schon zehn Zentimeter Neuschnee als „dramatische Wetterlage“ bezeichnet werden, die das Land „ins Chaos“ stürzen? Aber das nur am Rande. Halten wir fest: Eigentlich ist das Geld nicht da! Nicht für die A 39 und nicht für die A 14. Nicht für die A 20 und nicht für die A 21. Wer das Geld dafür trotzdem bereitstellt, versündigt sich, greift in die Kasse und gehört bestraft.
Aus finanziellen Gründen ist die A 39 also eigentlich gestorben. Aus ökologischen Gründen ist sie das auch, doch darauf will ich hier ausnahmsweise mal nicht eingehen. Vielleicht später einmal.
Vielmehr möchte ich mich dem „Wozu“ zuwenden: Der Autohersteller Audi hat kürzlich zum ersten Mal den „Urban Future Award“ ausgelobt. Die Ergebnisse sind für die Autoindustrie alarmierend: Der Autoverkehr, wie wir ihn heute kennen, ist ein Auslaufmodell. Als Lösung zukünftiger Mobilitätsanforderungen taugt er kaum, schon wegen seines Ressourcenverbrauchs. Stattdessen werden Fußgängerzonen und öffentliche Verkehrsträger an Bedeutung gewinnen. Nur wenn sich das Auto vernetzt und beispielsweise Teil einer öffentlichen Car-Sharing-Flotte wird, hat es eine Zukunft. Damit begäben sich die Autohersteller auf ein Feld, auf dem bislang ganz andere unterwegs sind: Autovermieter, Handybetreiber, Stadtwerke. Das ist beileibe kein Science Fiction: Die maßgeschneiderten Angebote zur Mobilität gewinnen an Bedeutung, heißt es in den Think-Tanks der Industrie. Schon jetzt testet Daimler in Ulm das Car-Sharing, BMW geht eine ganz enge Partnerschaft mit Sixt ein. Abgesehen von China, sinkt zudem weltweit die Lust am Autofahren. 1998 besaßen noch 90 Prozent der 18- bis 25-Jährigen in Deutschland einen Führerschein, 2008 waren es nur noch 75,5 Prozent. Und auch als Statussymbol hat das Auto weitgehend ausgedient – bei jungen Leuten steht das jeweils jüngste Smartphone weit höher im Kurs.
Halten wir auch hier fest: Nach Abschluss aller Planungen, nach dem Durchstehen aller Gerichtsverfahren und nach jahrerlanger Bauzeit könnte die A 39 – Finanzmittel vorausgesetzt, siehe oben – vielleicht 2025 für den Verkehr freigegeben werden. Just zu einer Zeit also, in der individueller Personenverkehr für die Menschen viel unattraktiver als heute und zudem in Städten kaum noch erlaubt sein wird. Just zu einer Zeit, in der Mobilität deutlich teurer sein wird als heute und Öl kaum noch bezahlbar. Just zu einer Zeit, in der immer mehr ältere kaum noch und immer weniger jüngere Menschen immer weniger Kilometer fahren werden. Bei einer solchen Prognose muss doch zumindest die Frage erlaubt sein: Was soll der ganze Wirbel um die Autobahn? Eigentlich muss sogar der Appell an die Politik erlaubt sein: Lasst das um Gottes Willen sein!
Und macht Euch keine Sorgen um des Deutschen liebstes Kind, um die Autoindustrie und ihre Jobs. Die Deutschen werden 2025 ein anderes Spielzeug haben – und die Autoindustrie ist der Politik schon jetzt um Lichtjahre voraus. Letztere täte gut daran, die Zeichen der Zeit zu erkennen und vorausschauend zu planen. Wir Bürger sollten das von ihr verlangen. Quelle: Andreas Conradt