Wie ein Positionspapier im Auftrag der IHK den entscheidenden Fragen zur A 39 ausweicht.
Die Industrie- und Handelskammer Lüneburg-Wolfsburg hat ein Gutachten in Auftrag gegeben und kommt zu dem Schluss, dass die A 39 wichtig für die Region sei. Alles andere wäre auch eine Sensation. Denn es handelt sich bei dem angeblichen Gutachten lediglich um eine von der Kammer bezahlte Argumentationshilfe für die Autobahnbefürworter. Wer an der eigentlichen Urheberschaft des Gutachtens Zweifel hat, dem sei die Lektüre des Positionspapiers der IHK vom September 2013 empfohlen. Er wird bis in die Details der Wortwahl auf Bekanntes treffen.
Die Autoren des Schweizer Instituts „progtrans“ sind immerhin so ehrlich, den Zweck ihres von der IHK finanzierten Papiers zu benennen: „Als grundsätzliche Ziele dieses Gutachtens werden nachfolgende Elemente genauer erläutert und ggf. weiter differenziert werden: Darstellung der Wirtschaftlichkeit des Vorhabens.“
Schon die Bezeichnung „Gutachten“ ist stark übertrieben für ein Schriftstück, dass wörtlich unterstreicht: „Grundsätzlich wurden in diesem Gutachten keine neuen und grundlegenden verkehrlichen oder sozio-ökonomischen Berechnungen angestellt.“ Stattdessen präsentieren die Autoren auf 105 Seiten eine Mischung aus bekannten Fakten über die Wirtschaftsstruktur der Region und Glaubensbekenntnissen der Autobahnbefürworter. Am deutlichsten zeigt sich das beim Umgang mit dem Kosten-Nutzen-Verhältnis: Alle Projekte, bei denen die Kosten höher veranschlagt werden als der Nutzen, die also ein NKV größer als 1 haben, seien wirtschaftlich, so die Autoren. Das ist volkswirtschaftlich betrachtet Schwachsinn. Denn für eine Gesellschaft kommt es darauf an, begrenzte Mittel so einzusetzen, dass ein möglichst großer Nutzen entsteht. In einer seriösen Betrachtung spielen daher auch die sogenannten Opportunitätskosten eine Rolle. Also Gewinne, die der Gesellschaft verloren gehen, weil das Geld an anderer Stelle besser eingesetzt wäre. Mit dem NKV von nur 1,9 liegt die geplante A 39 am unteren Ende der Projekte im Bundesverkehrswegeplan.
Die IHK versucht mit ihrem sogenannten Gutachten von solchen Fakten abzulenken. Sie lässt den Nutzen für den Tourismus hervorheben, ohne auf die Sorgen einer Kurstadt wie Bad Bevensen einzugehen, die um ihren Kurstatus bangt, sollte die Autobahn kommen. Da die Gutachter aber wissen, auf welch dünnem Eis sie sich bewegen schreiben sie zur Absicherung den Satz: „Anzumerken bleibt, dass eine zu geringe Entfernung einer touristischen Destination zur Autobahn negative Nachfrageauswirkungen durch Lärmemissionen und Landschaftszerschneidung aufweisen kann.“ Was aber –wie nicht anders zu erwarten – nichts daran ändern, dass nach Meinung der Autoren die Autobahn gut für den Tourismus sei. Eine Auseinandersetzung mit Gegenargumenten unterbleibt, wie in dem gesamten Schriftstück.
So lässt sich die Ideologie der Autobahnbefürworter an vielen Stellen ablesen: Kein Wort vom Landverlust, der bäuerliche Existenzen bedroht; keine Auseinandersetzung mit die Ergebnisse von Universitätsstudien, die den Nutzen einer Autobahn für die regionale Wirtschaft verneinen. Vielmehr versuchen die Autoren mit lapidaren Sätzen die ideologische Sichtweise der Autobahnbefürworter gegen wissenschaftliche Fakten zu verteidigen. Sie schreiben: „Es ist anzumerken, dass der Zusammenhang zwischen Fertigstellung des Autobahnteilstücks und der Regionalökonomie bislang quantitativ oder qualitativ nicht verifiziert worden sind. Nichtsdestotrotz......“. Das heißt im Klartext: Wissenschaftlich lässt sich zwar kein Zusammenhang nachweisen, aber wir behaupten ihn trotzdem.
Halbwahrheiten und unseriöse Behauptungen durchziehen das gesamte Machwerk. Beispiel: Die Gutachter weisen die Alternative eines Ausbaus der B4 zurück. Sie beziehen sich dabei aber nur auf die längst verworfene Alternative, eine Autobahn auf der B4-Trasse zu bauen, beziehungsweise auf einen nur „teilweise“ dreispurigen Ausbau der Bundesstraße. Sie ignorieren dabei den aktuellen Stand der Diskussion. Manchmal verheddern sich die Autoren in den eigenen Verbiegungen der Fakten. So zeigt eine Tabelle statistischer Ämter, dass für Wolfsburg ein Bevölkerungsrückgang von 2011 bis 2030 von 15 Prozent vorhergesagt ist. Da aber nicht sein soll, was ist, fahren die Autoren wörtlich im Text fort: „Relativierend zu dieser Statistik sollte an dieser Stelle jedoch noch die positive Bevölkerungs- und Beschäftigungsentwicklung Wolfsburgs angemerkt werden.“
Warum gibt die IHK die Beiträge ihrer Mitgliedsunternehmen für ein Gutachten aus, dass das Papier nicht wert ist, auf dem es steht? Die Antwort gab IHK-Geschäftsführer Zeinert selbst bei der Vorstellung des Gutachtens: „Wir machen uns da keine Illusionen. Es gibt im Moment keine auskömmliche Finanzierung. Die A 39 steht im Wettbewerb mit anderen Verkehrsvorhaben.“ Mit dem Gutachten vesuchen die Autobahnbefürwortern ein Papier in die Hand zu bekommen, das Sie den wissenschaftlichen Studien entgegenhalten können, die belegen, dass es in Deutschland seit den 80er Jahren keinen Zusammenhang mehr gibt zwischen Wirtschaftswachstum in einer Region und dem Bau einer neuen Autobahn.
Das Gutachten ist daher nicht nur lächerlich, sondern ärgerlich, weil es mit seiner Mischung aus bekannten Fakten und ideologischen Behauptungen die rationale Auseinandersetzung über eine sinnvolle Verkehrspolitik für die Region erschwert. Quelle: Dachverband KEINE! A39