Die Verteuerung von Energie bewirkt insbesondere im Schwerlastverkehr
schon seit Jahren ein stärkeres Wachstum auf der Schiene als auf der
Straße. So ist der Gütertransport auf der Straße auch schon bei relativ
kurzen Relationen wie Hamburg – Berlin betriebswirtschaftlich um 15
Prozent teurer als auf der Schiene. Bei längeren Distanzen
verschlechtert sich die Wettbewerbsfähigkeiten der Straße weiter. Eine
ähnliche Entwicklung gibt es bei den Binnenwasserstraßen, die mit dem
Elbe-Seitenkanal und dem Mittellandkanal in Nordostniedersachsen bereits
funktionsfähig, insbesondere für Massengüter, zur Verfügung stehen¹.
Der langfristige Trend im Gütertransport spiegelt sich nicht in der
Planung der A 39 wider.
Betrachtet man nur den Verkehrsträger Straße, so muss für die geplante A 39 bei ihrer angedachten Entlastungsfunktion zwischen der Autobahn 7 und Bundesstraße 4 unterschieden werden.
Die A 7 verläuft zwischen Salzgitter und Hamburg parallel zur geplanten A 39. Sie ist südlich von Hamburg mit Ausnahme der Strecke Dreieck Walsrode - Soltau sechsspurig ausgebaut. Die Kapazität der Strecke ist besonders in Hinblick auf die langfristige Entwicklung ausreichend. Hinzu kommt, dass bei Bedarf, beispielsweise in Ferienzeiten, im Abschnitt Dreieck Walsrode - Soltau auch die Standstreifen bei einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h mit genutzt werden können und so schon heute eine quasi sechsspurige Verkehrsführung besteht, bei der auch durch die niedrige Höchstgeschwindigkeit ein optimaler Verkehrsfluss gewährleistet ist. Nun hat aber der Bund bereits im März 2012 einem vollen sechsspurigen Ausbau der A 7 auch zwischen dem Dreieck Walsrode und Bad Fallingbostel, also dem ersten von drei Bauabschnitten bis Soltau, zugestimmt² und damit eine weitere ganzjährige Kapazitätssteigerung für die A 7 beschlossen. Würde dann auch die kostengünstige bedarfsorientierte durchgehende Nutzung der Standspuren bei einer geringen Höchstgeschwindigkeit umgesetzt, erhielte die A 7 eine quasi achtspurige Verkehrsführung, die eine Entlastung durch die A 39 gänzlich überflüssig machte.
Die A 39 verläuft in ganzer Länge ebenfalls parallel zur B 4 und soll diese besonders vom Schwerlastverkehr entlasten. Genau in diesem Bereich hat sich aber in den letzten Jahren bereits ein deutlicher Rückgang des Schwerlastverkehrs abgezeichnet. So ist der Gütertransport zwischen Lüneburg und Bad Harzburg auf der B 4 von 2005 auf 2010 um durchschnittlich 25 Prozent oder mehr als 600 Lkw täglich zurückgegangen. Im Bereich der B 4 auf der Lüneburger Ostumfahrung, also Abschnitt 1 der geplanten A 39, lag der Rückgang bei gut 27 Prozent oder mehr als 1.100 Lkw täglich. Zwischen Lüneburg und Bad Harzburg ist nicht nur der Schwerlastverkehr rückläufig, auch die durchschnittliche tägliche Verkehrsstärke (DTV) über alle Fahrzeugarten ging um durchschnittlich gut zwei Prozent oder mehr als 300 Fahrzeuge täglich zurück³. Eine Entlastungsfunktion der A 39 erübrigt sich daher auch für die B 4.
Weitere Einflüsse entlang der aktuellen Trassierung der A 39 von Nord nach Süd:
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Insgesamt zeigt sich, dass bei allen Bundesstraßen, die die geplante A 39 tangieren, die DTV rückläufig ist. Die Ausnahme stellt lediglich die am schwächsten befahrene Bundesstraße in der Region, die B 493, dar, wo sich die Gesamtverkehrsbelastung um täglich 143 Fahrzeuge erhöht hat. Der Rückgang des Schwerlastverkehrs ist in der Regel stärker, als der des übrigen Verkehrs. Ausnahmen bilden nur die schwach frequentierten Bundesstraßen 191 und 493 mit einer Zunahme von 65 und 6 Lkw täglich, sowie die B 216, deren Verdrängungsverkehr durch eine Sperrung für schwere Transit-Lkw reduziert werden soll. Die mittel- bis langfristige Entwicklung auf den Bundesstraßen entlang der A 39-Trassenführung rechtfertigen keine Entlastungsfunktion durch einen Autobahnneubau.
Weiträumige Wechselwirkungen
In Kombination mit der Weiterführung der A 21 von Bargteheide, teilweise über die Trasse der heutigen B 404 bis zur ehemaligen A 250, soll die geplante A 39 als weiträumige, östlichen Umfahrung Hamburgs dienen. Wie oben dargestellt, ist aber gerade auf diesem Abschnitt der B 404, der Verkehr insgesamt stark rückläufig (-16 %). Aber auch im weiteren Verlauf bis zum derzeitigen Ende der A 21 und der Anschlussstelle Bargteheide an der A 1 ist ein starker Rückgang der DTV um 10,1 % (-1.588 Fahrzeuge täglich), davon SV -20,2 % (-315 Lkw täglich) durchschnittlich zu verzeichnen. Da auf der Relation Lüneburg – Bargteheide (A 1) keinerlei verkehrliches Wachstum zu erkennen ist, erscheint auch die Umfahrungsfunktion der geplanten A 39 und A 21 sehr fragwürdig.
Betrachten wir die A 39 und A 21 in ihrer weiteren Funktion zusammen mit der A 1 als transeuropäische Magistrale nach Skandinavien, so ergibt sich wiederum kein erkennbarer Handlungsbedarf. Die DTV der A 1 von Bargteheide, Anschluss A 21, bis nach Fehmarn ist mit -6,7 % (-2.733 Fahrzeuge täglich) insgesamt rückläufig. Darin enthalten ist lediglich ein marginaler Anstieg beim Schwerlastverkehr um weniger als 1 % (+40 Lkw täglich) durchschnittlich. Durch den Bau einer festen Fehmarnbelt-Querung wird auf der genannten Relation mit Mehrverkehr gerechnet. Die neue Schleswig-Holsteinische Landesregierung hat nun aber angekündigt, das Projekt im sehr wahrscheinlichen Falle deutlicher Kostensteigerungen nicht länger verfolgen zu wollen. Bei diesem anzunehmenden Szenario würden die bisher prognostizierten Verkehrszahlen nicht erreicht werden und die A 39 verlöre auch als transeuropäische Magistrale Mangels Bedarf an Bedeutung.
1 Verkehrswirtschaftlicher und ökologischer Vergleich der Verkehrsträger Straße, Schiene und Wasserstraße, PLANCO Consulting GmbH, Essen, November 2007
2 A 7 Hannover - Hamburg: Bund stimmt Planungen für den sechsstreifigen Ausbau zwischen Dreieck Walsrode und Bad Fallingbostel zu, Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, 30.03.2012
3 Manuelle Straßenverkehrszählung Autobahnen und Bundesstraßen, Bundesanstalt für Straßenwesen 2005 und 2010
4 Bericht über Verkehrsverlagerungen auf das nachgeordnete Straßennetz in Folge der Einführung der Lkw-Maut, Unterrichtung durch die Bundesregierung, Drucksache 16/13739, Berlin, 29.06.2009