Es gibt keinen Zusammenhang mehr zwischen dem Bau einer neuen Autobahn und einem Wirtschaftwachstum in der betroffenen Region. Früher war das einmal anders, aber inzwischen weisen mehr und mehr Wissenschaftler auf diesen Fakt hin. Nun muss die Erkenntnis nur noch die Politik erreichen...
Zu den immer wieder vorgetragenen Argumenten der Autobahnbefürworter gehört die Behauptung eines wirtschaftlichen Nutzens durch den Autobahnneubau für die hiesige Region. Prof. Pez von der Universität Lüneburg hat dagegen im Lauf des letzten Jahres mehrfach darauf hingewiesen, dass es seines Wissens keine Untersuchungen aus den letzten 30 Jahren gibt, die einen positiven Zusammenhang zwischen Autobahnneubau und Wirtschaftswachstum nachgewiesen haben. Dem haben die Befürworter der A 39 wiederum heftig widersprochen: Es gebe solche Untersuchungen durchaus. Die Initiativen gegen die A 39 haben immer wieder darum gebeten, sie uns zu nennen. Lange Zeit vergeblich.
Dann hat zunächst der CDU-Landtagsabgeordnete Jörg Hillmer bei einer Diskussionsveranstaltung im Zuge des Landtagswahlkampfs auf ein Gutachten der TU Münster verwiesen, in dem festgestellt worden sei, dass der sogenannte Lückenschluss der A 31 (Emsland-Autobahn; Fertigstellung Dezember 2004) der dortigen Region einen Nettogewinn von 500 Millionen Euro gebracht habe.
Das Problem ist nur: Dieses Gutachten gibt es gar nicht! Was es gibt, ist eine Wirtschaftlichkeitsprognose im Auftrag der dortigen IHKs, die fast vier Jahre vor Fertigstellung der Autobahn verfasst worden ist. Über ihre tatsächlichen Effekte schreibt der Verkehrswissenschaftler Prof. Gather in einer Studie dass es keinen maßgeblichen Einfluss dieser Autobahn auf die wirtschaftliche Entwicklung der dortigen Region gebe. Und der "Spiegel" hat 2011 in einem Beitrag über Geldverschwendung bei Straßenbauprojekten die A 31 als Flop bezeichnet.
Im März dieses Jahres hat das verkehrswissenschaftliche Institut der Fachhochschule Erfurt unter Federführung von Prof. Gather eine umfangreiche "Analyse der regionalwirtschaftlichen Effekte ausgewählter Autobahnprojekte" veröffentlicht. Darin werden die tatsächlichen Effekte von Autobahnneubauten der neueren Zeit untersucht und die Ergebnisse mit den Prognosen der Planer verglichen. Untersucht wurden A 20, A 28, A 31, A 38, A 71 und A 73. Fazit: Ein positiver Zusammenhang von Autobahnneubau und Wirtschaftswachstum lässt sich nicht nachweisen; die prognostizierten und die tatsächlich erreichten Werte (Nutzerzahlen und Kosten) klaffen, mit einer Ausnahme, weit auseinander – die Nutzerzahlen liegen in der Regel weit unterhalb der Prognosen (-8 bis -61%), die Kosten weit darüber (+36 bis +163%). Entsprechend beträgt das tatsächliche Nutzen-Kosten-Verhältnis zum Teil nur ein Drittel oder ein Viertel des zuvor behaupteten Wertes.
In ihrer Zusammenfassung kommt die Studie auch auf den neuen Bundesverkehrswegeplan (BVWP) zu sprechen: "Nach derzeitigem Diskussionsstand wird im neuen BVWP 2015 auf eine Monetarisierung regionalökonomischer Wirkungen in der Nutzen-Kosten-Analyse verzichtet. Der BVWP trägt damit der Erkenntnis Rechnung, dass solche Wirkungen nicht seriös unterstellt werden können. Gleichwohl soll es weiterhin ein Kriterium "Raumordnung" geben. Auch wenn die entsprechende Methodik noch nicht feststeht, wird offensichtlich, dass alle im Rahmen der vorliegenden Studie untersuchten Autobahnabschnitte in Regionen mit immer noch sehr hohen Erreichbarkeitsdefiziten liegen beziehungsweise diese berühren. Als Konsequenz lässt sich daraus ableiten, dass Autobahnen ganz offensichtlich weder in der Lage sind, Erreichbarkeitsdefizite signifikant zu mindern, noch die daraus resultierenden Wachstumsschwächen zu beseitigen."
Auch Frau Lühmann hatte im Juni auf einer Veranstaltung in Edendorf erklärt, dass es wenigstens zwei Studien gebe, die einen positiven Zusammenhang von Autobahnneubau und Wirtschaftswachstum belegen. Aber: Die erste von Frau Lühmann genannte "Studie" ist eine vierseitige Propagandaschrift des ADAC über die segensreichen Wirkungen des Straßenverkehrs, in der nicht ein einziges Wort darüber steht, dass der Bau einer neuen Autobahn Wirtschaftswachstum hervorrufen würde. Das ist auch gar nicht ihre Absicht. Der Text will nur zeigen, dass im Straßenverkehr eine Menge Geld umgesetzt wird und dass das eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung hat. Um das zu belegen, macht der ADAC das bei ihm Übliche: Erstens wendet er alle Negativeffekte des Straßenverkehrs – Unfälle, Versicherungs-, Straßen- und Personenschäden und so weiter – ins Positive, weil auch sie natürlich Beschäftigung, also Umsatz bedeuten. Zweitens werden die externen Kosten des Straßenverkehrs vollkommen ausgeblendet. Und drittens hat Mobilität natürlich immer ökonomische Wirkungen – auch wenn sie nicht auf der Straße, sondern zum Beispiel umweltverträglicher über die Schiene abgewickelt wird; das ist also für sich genommen überhaupt kein Argument. Der ADAC-Text ist für die Diskussion über die Effekte eines Autobahnneubaus ohne jeden Wert.
Auch in der zweiten von Frau Lühmann genannten Studie ("Regionale Effekte durch Straßenbau-Investitionen") eines Instituts an der TU Berlin findet sich kein Wort zu konkreten empirischen Auswirkungen eines konkreten Autobahnneubaus auf die Wirtschaftsentwicklung einer konkreten Region. Auch diese Studie wurde von einer Lobby-Organisation in Auftrag gegeben – von ProMobilität. Dennoch ist sie für Autobahngegner von großem Interesse, denn sie eignet sich erstaunlicherweise gerade nicht dazu, den Bau einer Autobahn mit einer regionalwirtschaftlichen Perspektive zu stützen. Sie untersucht erklärtermaßen keine realen Effekte des Autobahnbaus, sondern stellt lediglich Überlegungen darüber an, welches Instrumentarium man verwenden sollte, um solche Effekte gegebenenfalls nachzuweisen und zu messen. In den Worten der Gutachter: "Die Schätzmodelle sollten theoretisch fundiert sein."
Zwar weist das Gutachten ausdrücklich darauf hin, dass ein positiver Zusammenhang zwischen Autobahnbau und regionalwirtschaftlicher Entwicklung "theoretisch gut belegt" ist (dass also die theoretischen Instrumente vorhanden sind, um ihn, sollte er eintreten, auch nachweisen zu können). Das Gutachten betont aber gleichzeitig, dass die tatsächlichen Effekte (also der quantitative Umfang der ökonomischen Auswirkungen und seine räumliche Verteilung), die sich aus den theoretischen Annahmen unter Umständen ableiten lassen, keineswegs eindeutig, sondern widersprüchlich sind und von Fall zu Fall untersucht und nachgewiesen werden müssten. Studien wie die von Prof. Gather zeigen, was herauskommt, wenn man das tut. Auch weisen die Berliner Gutachter etwa darauf hin, dass eine bessere verkehrliche Anbindung einer strukturschwachen Region an eine strukturstärkere sogar zur Verringerung von Produktion und Beschäftigung in der strukturschwächeren Region führen kann – ein Punkt, der für die hiesige Debatte von besonderer Bedeutung ist.
Kurz: Auch diese Studie leistet in keinem Punkt, was die Autobahnbefürworter aus ihr herauslesen möchten. Und mehr gibt es nicht.
Damit bestätigt sich die Annahme der Kritiker dieses Autobahnprojekts, dass es keine einigermaßen aktuelle Untersuchung gibt, die den von den Befürwortern behaupteten Zusammenhang von Autobahnbau und wirtschaftlicher Entwicklung nachweist. Quelle: Dachverband KEINE! A39