Sonntag, 3. Juni 2012

A 39 in Schieflage

Das ging schnell: Auf Anfrage der Grünen stuft die Bundesregierung das Nutzen-Kosten-Verhältnis der A 39 herab.
Nach dem Schleusenneubau in Scharnebeck gerät nun auch das zweite große Verkehrsprojekt der Region in eine gefährliche Schieflage: die geplante Autobahn 39 Lüneburg-Wolfsburg. Der Preis steigt, der Nutzen fällt. So lässt sich der aktuelle Kurs für das 105 Kilometer lange Milliarden-Vorhaben zusammenfassen.

Erst vor wenigen Wochen hat die niedersächsische Landesregierung bekanntgegeben, dass die A 39 mehr als eine Milliarde Euro kosten wird - fast doppelt so viel wie ursprünglich geplant. Damals hatte die Landesregierung keine Notwendigkeit darin gesehen, das Nutzen-Kosten-Verhältnis (NKV) für die A 39 neu zu berechnen. Das hat die Bundesregierung nun nachgeholt: Sie stuft das NKV für den Autobahnbau von 2,7 auf 1,9 herab. Das geht aus den Antworten der Bundesregierung auf eine Anfrage des grünen Bundestagsabgeordneten Sven-Christian Kindler hervor. Die grüne Lüneburger Landtagsabgeordnete Miriam Staudte sieht in der Antwort "die wachsende Unwirtschaftlichkeit" des Projektes. Die Bundesregierung bestätigte auch, dass das Projekt für den nächsten Bundesverkehrswegeplan neu bewertet wird. Doch trotz des niedrigen NKV von 1,9 heißt es in der Antwort auf die Grünen-Anfrage: "Damit ist weiterhin die Wirtschaftlichkeit belegt."

Zudem hat das verantwortliche Bundesverkehrsministerium die Preisansätze für Nutzerkomponenten wie Fahrt- und Unfallkosten überprüft und die Nutzerkostensätze um 20 Prozent angehoben. Die ursprünglichen Werte hätten dem Preisstand von 1998 entsprochen und seien nun auf den Stand von 2008 aktualisiert worden.
Der Knackpunkt bleibt für Staudte allerdings die Neubewertung: "Die Antwort "ja" ist ebenso knapp wie klar und bedeutet, dass auch Schwarz-Gelb erkannt hat, dass diese Autobahn in der Kategorie "vordringlicher Bedarf" nichts mehr zu suchen hat." Zu dieser Einschätzung passe auch ein aktuelles Interview mit Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister. "Der Ministerpräsident spricht über alle niedersächsischen Autobahn-Projekte, die aus seiner Sicht zu realisieren sind, nur die A 39 wird mit keiner Silbe erwähnt."

Auch der grüne Bundestagsabgeordnete Kindler macht Front gegen das Projekt: "Es gibt keinen Autobahn-Neubau in Deutschland mit einem schlechteren Nutzen-Kosten-Wert." Damit bestätige die Bundesregierung, was Grüne und Bürgerinitiativen schon lange kritisieren: "Die Kosten für die A 39 wurden krass unterschätzt und gleichzeitig wurde die rechnerische Wirtschaftlichkeit des Projektes durch Tricks hochgehalten." Vertreter der Bürgerinitiativen rund um Lüneburg hatten schon vor Jahren ein NKV von 1,87 für das Vorhaben errechnet - damals aber lagen die veranschlagten Kosten noch bei 617 Millionen Euro. Heute sind es 1,1 Milliarden Euro.
Und die Kosten können noch steigen. Laut Antwort der Bundesregierung liegen für fünf der sieben Bauabschnitte noch keine Detailplanungen und damit noch keine abschließenden Kostenberechnungen vor.
Gleichwohl unterstreicht die Bundesregierung die Bedeutung der A 39. "Im Investitionsrahmenplan 2011 bis 2015 für die Verkehrsinfrastruktur des Bundes sind Abschnitte der A 20 und die A 39 als weitere wichtige Vorhaben enthalten ... Damit hat die Bundesregierung die verkehrliche Bedeutung der A 20 und der A 39 und deren Finanzierungswürdigkeit herausgehoben."
Gleichzeitig verweist die Bundesregierung darauf, dass der Abschnitt Wolfsburg-Ehra als "prioritäres Vorhaben" im Investitionsrahmenplan ausgewiesen werde. Doch schon vor einigen Wochen bestätigte das Verkehrsministerium in Hannover, dass der Startschuss für den Bau der A 39 im Abschnitt 1 bei Lüneburg fallen werde - falls die Autobahn gebaut wird. Quelle: Landeszeitung