Mehr als 300 Bürger verfolgen die Podiumsdiskussion zur A 39 in der Uni Lüneburg
Peter Weerda von der Aktion Lebensberg e. V. und Markus Kristen vom Umweltverein Gellersen e. V. eröffnen die Podiumsdiskussion „Chancen und Risiken der A39“ mit Vertreten aus Verwaltung, Politik, Wissenschaft und Wirtschaft.Im Hörsaal 3 der Universität Lüneburg wurde es am Mittwochabend eng. Die Podiumsdiskussion zu den „Chancen und Risiken der A39“ verfolgten mehr als 300 Bürger. Landtagsabgeordnete, Vertreter der Kreistage und Kommunalvertretungen zwischen Lüneburg und Wolfsburg waren der Einladung des Dachverbandes der Bürgerinitiativen gegen die A39 ebenso nachgekommen wie zahlreiche Bürger.
Sie erlebten eine lebhafte von Prof. Dr.-Ing. Hartmut Wittenberg, Universität Lüneburg, moderierte Auseinandersetzung um das Für und Wider der umstrittenen Autobahn. Einleitend hatten Markus Kristen, Umweltverein Gellersen eV, und Peter Weerda, Aktion Lebensberg eV, ihre Einigkeit im Widerstand gegen die A 39 betont. Es gehe nicht um die Trasse im Osten oder Westen, sondern um die grundsätzliche Verhinderung einer unsinnigen, teuren und schädlichen Autobahn.
Klaus Neumann, Regierungsvertretung Lüneburg, erneuerte hingegen die These, dass der strukturschwache Raum zwischen Lüneburg und Wolfsburg durch die A39 „erschlossen“ werden müsse. Den aktuellen Planungsstand und das weitere Verfahren erläuterte Friedhelm Fischer, Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr. Im März 2006 werde mit der Vorstellung der Vorzugsvariante das Raumordnungsverfahren eröffnet, das nach seiner Einschätzung mit neun bis zwölf Monaten deutlich länger dauern werde, als die Mindestfrist von einem halben Jahr. Bis zum Baubeginn würden noch etwa fünf bis sechs Jahre ins Land gehen.
Als “Den Spatz in der Hand“ erkennt Otto Lukat, Bürgermeister der Stadt Uelzen, die A39. Wenn der Ausbau der B4 nicht voran komme, müsse eben die A39 her. Wichtig sei die Verbesserung der Standortgunst z.B. im Wettbewerb mit Lüneburg. Lukat hofft, durch noch günstigeres Bauland junge Hamburger Familien nach Uelzen zu locken, die sich bisher in der Umgebung von Lüneburg angesiedelt hätten. „Da bin ich im Interesse der Stadt Uelzen ganz egoistisch.“
Prof. Dr. Matthias Gather, der sich an der Fachhochschule Erfurt mit den regionalwirtschaftlichen Konsequenzen des Autobahnbaues, beschäftigt, widersprach den Hoffnungen Neumanns und auch Lukats. „Meine Studien zeigen, dass von einer Autobahn die stärkeren Wettbewerber profitieren. D.h., strukturstarke Regionen gewinnen, während strukturschwache Regionen weiter zurückfallen“. Das gelte auch für Unternehmen, die für den sie nun erfassenden überregionalen Wettbewerb nicht gerüstet seien. Entscheidend für eine positive wirtschaftliche Entwicklung sei die geografische Nähe zu Ballungszentren, nicht die Anbindung über eine Autobahn.
Prof. Dr. Peter Pez, Universität Lüneburg, erörterte die verkehrlichen Auswirkungen für die Region. „Die A39 dient der Entlastung der A7 und führt zusätzliche LKW-Verkehre in die Region.“ Gleichzeitig liege die A39 mit ihren weit auseinanderliegenden Auffahrten für den regionalen Verkehr zu weit abseits, um etwa für die B4 eine signifikante Entlastung zu bringen. Pez favorisiert einen Ausbau der B4, der zum einen die Fahrzeiten ähnlich der A39 reduziere, und zum anderen wesentlich flexibel anfahrbar sei. Warum Wirtschaft und Politik trotzdem am Autobahnbau festhielten, sei nur mit Dogmen, Glaubensgrundsätzen ähnlich denen der katholischen Kirche zu erklären.
Stefan Deerberg, Geschäftsführer der Deerberg Schuhversand GmbH in Velgen, betonte, das unternehmerischer Erfolg nicht von einer Autobahn abhängig sei, sondern auf innovativen Geschäftsideen beruhe sowie einer steten Optimierung der betrieblichen Strukturen. „Wir verschicken jedes Jahr 350 000 Pakete. Wir liegen nicht an der Autobahn. Trotzdem sind unsere Pakete schneller beim Kunden, als bei der Konkurrenz am Autobahnkreuz.“
Hartmut Schöberl vertrat den Wolfsburger Speditionsunternehmer und IHK-Präsidenten Bernd Hansmann. Er verwies auf den Zusammenhang von Wirtschaftswachstum und Verkehrsvolumen sowie die „patriotische Pflicht“ zum Wohle des Gemeinwohls notwendige Verkehrsinfrastrukturen zu ertragen. Gather dazu: „Die strukturschwachen Regionen haben zwar das Verkehrsvolumen auszuhalten, das Wirtschaftswachstum aber findet woanders statt.“
Annette Niemann, Sprecherin des Dachverbandes der Bürgerinitiativen gegen die A39, ermahnte die Politik, sich den Bedenken der Wissenschaft und der Wähler zu öffnen. „Im September 2006 ist Kommunalwahl.“