Offener Brief an Bürgermeister Jürgen Markwardt und Landrat Heiko Blume zu A39, Raststätte und Industrieansiedlung.
Sehr geehrter Herr Bürgermeister, sehr geehrter Herr Landrat,
Sie sind beide als glühende Befürworter einer A39 bekannt und haben das kürzlich medienwirksam wieder kundgetan. Mag die Stellungnahme für eine Autobahn in diesem „größten autobahnfreien Raum Deutschlands“ zum Anfang dieses Jahrhunderts zumindest noch diskussionswürdig gewesen sein, so kann man sie heute nur noch als eine rückwärts gewandte Haltung ansehen. Es ist, als ob Sie die sich in atemberaubendem Tempo verändernden Zeichen der Zeit nicht erkannt haben. Klimawandel, Flächenfraß, rasante Zunahme der Weltbevölkerung mit allen daraus folgenden Konsequenzen, dabei rasante Abnahme der zur Verfügung stehenden Agrarfläche, z. B. durch Wüstenbildung und die Notwendigkeit, unseren weit überdimensionierten ökologischen Fußabdruck auf ein global verträgliches Maß zurückzuführen. Das Wort „Verzicht“ kommt Ihnen höchstens in den Mund, wenn Sie beispielsweise von den Bewohnern Riestedts den Verzicht auf Lebensqualität einfordern zugunsten „alternativloser“ Eingriffe in Natur und das Schutzgut Mensch! Ich habe mir die Diskussion in Hanstedt ebenso nachträglich angehört wie die Aufzeichnung der letzten Sitzung des Stadtrates von Bad Bevensen. Denk‘ ich an beide Veranstaltungen in der Nacht, bin ich um meinen Schlaf gebracht – wirklich! Der Bürgermeister nimmt eine Zunahme des Güterverkehrs von jährlich 3-5% als unabänderlich zur Kenntnis und fordert deshalb eine Autobahn ohne Wenn und Aber. Mit dem Einsatz für Autobahn + Rasthof wollen Sie ein „Signal“ setzen für einen raschen Baubeginn – und opfern dafür ein ganzes Dorf! Kein Argument ist Ihnen da zu fadenscheinig: Hafenhinterlandverkehr für Hamburg, (bis jetzt klappt es damit, und es gibt Zeichen, dass der Hafenumschlag eher stagniert oder sogar rückläufig ist). Firmen drohen angeblich, aus Uelzen fortzuziehen: welche Firmen, wohin? Solchen Firmen sollten Sie raten, sich rasch auf den Weg zu machen, denn auf eine Autobahn dürften sie noch, falls diese nicht verhindert werden kann dank zu erwartenden Widerstandes oder später Einsicht der Politik (?), noch etliche Jahre warten müssen. Glauben Sie im Ernst, dass eine längere Fahrzeit von vielleicht 15 Minuten bei Fahrstrecken von mehreren 100 km jemanden zum Standortwechsel veranlassen wird? Der Bürger wird zu Recht zum Verzicht aufgefordert, angefangen vom Plastik-Trinkstrohhalm. Sie als Politiker aber meinen weitermachen zu dürfen wie bisher! Wenn auch eine Autobahn in Ihren Augen die maximale Lösung für bestehende Verkehrsprobleme darstellt, so muss es vielleicht heute auch eine Nummer kleiner gehen. Der dreispurige Ausbau der B4 als Alternative zur A39 ist nie ernsthaft geprüft worden – oder wurde er, wie behauptet wird, bewusst hintertrieben? Den Orten, die heute unter dem Verkehr auf der B4 stöhnen, wird vorgegaukelt, sie würden durch eine A39 entscheidend entlastet. Das sind „fake news“ - keine Ortsumgehungen und dazu Rückstufung der Bundes- zur Landstraße (ohne Bemautung)! Andernorts bewährt sich eine 2+1-Lösung recht gut! Und wenn eine Ortsumgehung nicht möglich erscheint? Es gibt auch hierfür praktizierte Lösungen in Deutschland, in dem die Bundesstraße für eine Ortsdurchfahrt eingegraben und mit einem Deckel versehen wird – könnte für ein paar Kilometer sogar mit 2 Spuren funktionieren!
Herr Bürgermeister, Ihr sog. Verständnis für die Nöte der Riester Bürger klingt pflichtgemäß und wenig glaubwürdig! Sie wollen sich für „Abmilderung“ der Auswirkungen einsetzen. Wie wollen Sie dieses „Versprechen“ halten? Sie setzen auf E-Mobilität als Beitrag zum Umweltschutz! Der Verkehr auf der Straße wird zwar leiser (bei den PKWs), nicht aber die Zahl der Autos, schon gar nicht ist eine Lärmminderung durch LKWs zu erwarten, auch nicht auf einem Rastplatz. Sie tun in Uelzen, wie Sie sagen, eine ganze Menge für den Umweltschutz, erwähnen da die Anlage von Blühstreifen. Eine richtige und wichtige Maßnahme, die jedoch nicht Schritt halten kann mit der Umweltzerstörung durch Autobahn und Rastanlage (und geplantes Gewerbegebiet)! Wie gut, dass den in ihrer Existenz bedrohten Landwirten Ersatzflächen angeboten werden. Aber dieser Ersatz führt ja nicht zu mehr Ackerfläche, es sei denn, man nimmt bisher unergiebige Flächen oder Magerrasen unter den Pflug! Wir werden eines nicht fernen Tages jedes Fleckchen Ackerboden, besonders natürlich hochwertigen, brauchen, um den Hunger auf dieser Welt zu stillen. Wir werden dabei mehr und mehr, auch im ureigenen Interesse, global denken müssen! Der Prozess bis zu wirklich nachhaltigen Lebensverhältnissen, die auch unseren Nachkommen noch ein Leben auf diesem Planeten (ohne Hauen und Stechen!) ermöglicht, wird langwierig und schmerzhaft sein und muss, da sind sich alle einig, sozial ausgewogen sein, um soziale Unruhen zu vermeiden und Populisten das Wasser abzugraben. Diese Anstrengungen lassen sich zwar freitags zu recht fordern, ihre Umsetzung wird ungleich mühseliger sein. Manchmal, wenn ich die Egoismen dieser Welt betrachte, zweifle ich, ob das vor Eintritt der Katastrophe gelingen kann. Wir müssen alle lernen. Auch ich fühle mich oft hilflos und muss zugeben, oft genug noch ein „Sünder“ zu sein. Aber auch die Politik muss mit gutem Beispiel voran gehen. Sie, als unsere kommunalen Vertreter, werden so oder so nicht eine A39 verhindern können, aber Sie können ein Zeichen setzen, dass Sie eine rückwärts gerichtete Politik hinter sich lassen! Wenn Sie allerdings Bürgern, die nicht unmittelbar von der Autobahn betroffen sind, kraft Amtes lauter Wohltaten vor Augen führen, die sie durch eine A39 erwarten dürfen, erhalten Sie Zustimmungswerte von 85% und mehr – noch!!– (Stuttgart 21 lässt grüßen!). Wenn Sie, Herr Landrat, aber sich noch dazu hinreißen lassen, die A39 als Wunderwaffe für boomenden Fremdenverkehr hinzustellen, (und das noch mit einem zweifelhaften Ultimatum zu verbinden, das an „große Politik“ denken lässt), dann können Ihnen wohl nur ganz Unbelehrbare folgen, wie auf der letzten Ratssitzung in Bad Bevensen zu erleben!
Herr Landrat und Herr Bürgermeister, erlauben Sie mir zum Abschluss eine persönliche Frage
(mit der Bitte um Antwort): Wie würden Sie reagieren, wären Sie ein Bürger Riestedts?
Mit freundlichen Grüßen,
Dr. med. Uwe Krieg, Masbrock