Aus Sicht des Bundesverkehrsministeriums hat lediglich der erste Abschnitt der A39 bei Lüneburg für sich allein genommen einen wirtschaftlichen Nutzen. Alle weiteren Abschnitte müssen bei der Überprüfung für den Bundesverkehrswegeplan als Ganzes betrachtet werden. Ohnehin verzögert sich die A39 immer mehr. Möglicherweise bis Sankt Nimmerlein.
Mit viel Tamtam ist in den vergangenen Wochen für die geplante Autobahn 39 Lüneburg-Wolfsburg geworben worden. Hand in Hand haben die Industrie- und Handelskammer (IHK) Lüneburg-Wolfsburg und Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) Mitte August die Kampagne „Ohne A39 fehlt uns was“ angeschoben, Anfang September starteten dann die Werbespots „Unsere A39“ in den Kinos. Zudem führt ein Meinungsforschungsinstitut im Auftrag der IHK derzeit eine repräsentative Umfrage zum Thema Autobahn durch, Ergebnisse sollen in Kürze vorliegen. Und das alles, um die „schweigende Mehrheit für die A39“ zu mobilisieren. Das es sie gibt, davon sind die Autobahnbefürworter überzeugt.
Und auch die Landesregierung wird nicht müde, auf die „große wirtschaftliche und verkehrliche Wirkung“ der A39 zu verweisen. Zuletzt in der Antwort auf eine kleine Anfrage des grünen Landtagsabgeordneten Heiner Scholing aus Bienenbüttel. Doch die Antworten legen auch den Schluss nahe, dass Sand im Getriebe ist, die Planer mit allerlei Widrigkeiten zu kämpfen haben.
Noch Anfang des Jahres war Lies davon ausgegangen, dass Ende 2015 der Planfeststellungsbeschluss und damit die Baureife für den ersten, 7,7 Kilometer langen Abschnitt der A39 im Bereich Lüneburg vorliegt. Doch schon Anfang Juni wurde durch eine Anfrage der grünen Bundestagsabgeordneten Dr. Julia Verlinden aus Lüneburg öffentlich, dass dieser Zeitplan nicht zu halten ist. Demnach erwartet das Bundesverkehrsministerium den Planfeststellungsbeschluss für Abschnitt 1 erst Ende 2016. Daraufhin wollte Scholing von der Landesregierung wissen, wie es denn um die Abschnitte 2 bis 6 der A39 bestellt sei.
Die Antwort lässt Kritiker Wasser auf die jüngsten Freudenfeuer der A-39-Befürworter gießen. Demnach wird mit einem Beginn der Planfeststellungsverfahren für die Abschnitte 2 (östlich Lüneburg-Bad Bevensen) und 6 (Wittingen-Ehra) erst in der zweiten Jahreshälfte 2016 gerechnet, die Abschnitte 4 (Uelzen-Bad Bodenteich) und 5 (Bad Bodenteich-Wittingen) sollen im Laufe des Jahres 2018 folgen, der Abschnitt 3 (Bad Bevensen-Uelzen) sogar erst in der zweiten Jahreshälfte 2019.
„Die Planung der Autobahn 39 bereitet den Verantwortlichen offenbar immer wieder neue Schwierigkeiten“, urteilt der Dachverband „Keine A39“ und mit Blick auf die Verzögerungen beim zweiten Abschnitt: „Es bestätigt sich erneut, dass die Trasse erhebliche Eingriffe in die Lebensqualität der Anwohner bedeuten und schützenswerte Naturräume zerstören würde.“
Zur Erinnerung: Optimisten in den Reihen der ehemaligen schwarz-gelben Landesregierung hatten sich schon für das Jahr 2013 zum ersten Spatenstich der A39 bei Lüneburg eingeladen. Begonnen wurde das Planfeststellungsverfahren für diesen Bereich im Mai 2012. Bis zum erwarteten Planfeststellungsbeschluss Ende 2016 werden nach aktuellem Stand viereinhalb Jahre vergangen sein. Und bis zu einem möglichen ersten Spatenstich dürften noch einmal etliche Monate hinzukommen: Klagen gegen den Beschluss sind programmiert.
Gleichzeitig muss die A39 in diesen Tagen eine weitere Hürde nehmen: Für die Fortschreibung des Bundesverkehrswegeplans (BVWP) werden alle Projekte, die für den sogenannten „Vordringlichen Bedarf“ angemeldet worden sind und deren Bau noch nicht begonnen hat, auf ihre Wirtschaftlichkeit überprüft. Mit einem bisher angenommenen Nutzen-Kosten-Verhältnis (NKV) von 1,9 wird die A39 kaum einen Spitzenplatz belegen. Die Ergebnisse der Überprüfung sollen im Laufe der kommenden Wochen vorliegen.
Möglicherweise hat Niedersachsens Wirtschaftsminister Lies bei der Präsentation der A-39-Kampagne in Lüneburg auch deshalb angekündigt, die Autobahn abschnittsweise für den BVWP anzumelden. Das Kalkül: Erhält ein Abschnitt höchste Priorität, wird auch der Rest gebaut. Diese Rechnung passt dem grünen Koalitionspartner in Hannover allerdings so gar nicht. Auf eine entsprechende Anfrage im Bundesverkehrsministerium gab Staatssekretär Enak Ferlemann jedoch eine aus Sicht der Grünen beruhigende Antwort: „Von den angemeldeten sieben Teilprojekten besitzt nach derzeitiger Kenntnis lediglich das Teilprojekt 1 einen eigenständigen Verkehrswert.“ Gemeint ist der 7,7 Kilometer lange Abschnitt bei Lüneburg. Und weiter: „Die übrigen Teilprojekte setzen die Realisierungsfähigkeit des Gesamtprojekts voraus.“ Im Klartext heißt das: Während der Bereich bei Lüneburg durchaus alleine bewertet werden kann, sind die anderen sechs Abschnitte als Ganzes einer „gesamtwirtschaftlichen Bewertung“ zu unterziehen. Das NKV wird dies jedoch kaum steigern. Quelle: Landeszeitung