Litaneien autobahngläubiger Lokalpolitiker beginnen häufig mit „Wir brauchen die A39, weil sonst…“. Was folgt sind unbewiesene, an den Haaren herbei gezogene Aussagen über Wirtschaftskraft, Bevölkerungszahlen und etliches mehr.
Diese Litaneien beginnen nie mit „Die Wissenschaft hat festgestellt, dass die A39 positive Effekte haben wird, weil…“. Kein Wunder, denn ein Zusammenhang zwischen dem Bau einer neuen Autobahn und einem Wirtschaftswachstum in der betroffenen Region ist wissenschaftlich nicht mehr nachweisbar. Früher war das einmal anders, aber inzwischen weisen mehr und mehr Wissenschaftler auf diesen Fakt hin.
Zu den immer wieder vorgetragenen Argumenten der Autobahnbefürworter gehört die Behauptung eines wirtschaftlichen Nutzens durch den Autobahnneubau für die hiesige Region. Prof. Pez von der Universität Lüneburg hat dagegen schon mehrfach darauf hingewiesen, dass es seines Wissens keine einzige Untersuchung aus den letzten 30 Jahren gibt, die einen positiven Zusammenhang zwischen Autobahnneubau und Wirtschaftswachstum nachgewiesen hätte.
Dem haben Befürworter der A 39 natürlich heftig widersprochen: Es gebe solche Untersuchungen durchaus:
Zunächst hatte der CDU-Landtagsabgeordnete Jörg Hillmer bei einer Diskussionsveranstaltung 2012 auf ein Gutachten der TU Münster verwiesen, in dem festgestellt worden sei, dass der sogenannte Lückenschluss der A 31 (Emsland-Autobahn; Fertigstellung Dezember 2004) der dortigen Region einen Nettogewinn von 500 Millionen Euro gebracht habe. Das Problem ist nur: Dieses Gutachten gibt es gar nicht! Was es gibt, ist eine Wirtschaftlichkeitsprognose im Auftrag der dortigen IHKs, die fast vier Jahre vor Fertigstellung der Autobahn verfasst worden ist. Peinlich, Herr Hillmer…
Die SPD-Politikerin Kirsten Lühmann hatte 2013 sogar erklärt, dass es wenigstens zwei Studien gebe, die einen positiven Zusammenhang von Autobahnneubau und Wirtschaftswachstum belegen. Aber: Die erste von Frau Lühmann genannte "Studie" ist eine vierseitige Propagandaschrift des ADAC über die segensreichen Wirkungen des Straßenverkehrs, in der nicht ein einziges Wort darüber steht, dass der Bau einer neuen Autobahn Wirtschaftswachstum hervorrufen würde. Peinlich, Frau Lühmann…
Auch in der zweiten von Lühmann genannten Studie ("Regionale Effekte durch Straßenbau-Investitionen") eines Instituts an der TU Berlin findet sich kein Wort zu konkreten empirischen Auswirkungen eines konkreten Autobahnneubaus auf die Wirtschaftsentwicklung einer konkreten Region. Und auch diese Studie wurde von einer Lobby-Organisation in Auftrag gegeben – von ProMobilität. Doppelt peinlich…
Dabei gibt es Studien zur Thematik durchaus! Sie weisen nur immer den gegenteiligen Effekt nach, so dass sie von Politiker/-innen natürlich nicht zitiert werden „können“.
Über die tatsächlichen Effekte der von CDU-Mann Hillmer genannten A 31 schreibt nämlich zum Beispiel der Verkehrswissenschaftler Prof. Gather in einer Studie, dass es keinen maßgeblichen Einfluss dieser Autobahn auf die wirtschaftliche Entwicklung der dortigen Region gebe. Und der "Spiegel" hat 2011 in einem Beitrag über Geldverschwendung bei Straßenbauprojekten die A 31 gar als Flop bezeichnet.
Im März 2013 hat das verkehrswissenschaftliche Institut der Fachhochschule Erfurt unter Federführung von Prof. Gather eine umfangreiche "Analyse der regionalwirtschaftlichen Effekte ausgewählter Autobahnprojekte" veröffentlicht. Darin werden die tatsächlichen Effekte von Autobahnneubauten der neueren Zeit untersucht und die Ergebnisse mit den Prognosen der Planer verglichen. Untersucht wurden A 20, A 28, A 31, A 38, A 71 und A 73. Fazit: Ein positiver Zusammenhang von Autobahnneubau und Wirtschaftswachstum lässt sich nicht nachweisen; die prognostizierten und die tatsächlich erreichten Werte (Nutzerzahlen und Kosten) klaffen, mit einer Ausnahme, weit auseinander – die Nutzerzahlen liegen in der Regel weit unterhalb der Prognosen (-8 bis -61%), die Kosten weit darüber (+36 bis +163%). Entsprechend beträgt das tatsächliche Nutzen-Kosten-Verhältnis zum Teil nur ein Drittel oder ein Viertel des zuvor behaupteten Wertes.
In ihrer Zusammenfassung kommt die Studie zu dem Schluss: „Als Konsequenz lässt sich ableiten, dass Autobahnen ganz offensichtlich weder in der Lage sind, Erreichbarkeitsdefizite signifikant zu mindern, noch die daraus resultierenden Wachstumsschwächen zu beseitigen."
Und selbst das von Kirsten Lühmann ins Spiel gebrachte Gutachten weist ausdrücklich darauf hin, dass ein positiver Zusammenhang zwischen Autobahnbau und regionalwirtschaftlicher Entwicklung zwar "theoretisch gut belegt" ist (dass also die theoretischen Instrumente vorhanden sind, um ihn, sollte er eintreten, auch nachweisen zu können), dass aber die tatsächlichen Effekte (also der quantitative Umfang der ökonomischen Auswirkungen und seine räumliche Verteilung), die sich aus den theoretischen Annahmen unter Umständen ableiten lassen, keineswegs eindeutig, sondern widersprüchlich sind und von Fall zu Fall untersucht und nachgewiesen werden müssten. Auch weisen die Berliner Gutachter darauf hin, dass eine bessere verkehrliche Anbindung einer strukturschwachen Region an eine strukturstärkere sogar zur Verringerung von Produktion und Beschäftigung in der strukturschwächeren Region führen kann.
Damit bestätigt sich die Annahme der Kritiker dieses Autobahnprojekts, dass es keine einigermaßen aktuelle Untersuchung gibt, die den von den Befürwortern behaupteten Zusammenhang von Autobahnbau und wirtschaftlicher Entwicklung nachweist Quelle: UNI, Lüneburg, FH Erfurt, TU Berlin