Ein zartes Pflänzchen namens Einsicht ist geknickt. Ein Spross namens Vernunft ist zertrampelt. Alles wie immer. Statt konsequent am vernünftigen Nein zur A 39 festzuhalten, sah sich die Bad Bevenser CDU veranlasst, den drei Jahre alten Ratsbeschluss der Stadt anzugreifen und zu kippen. Ein Kommentar.
Mit aufheulendem Motor und ohne rechts und links zu schauen ist die Bevenser CDU vom rechten Weg abgekommen und zieht – auch noch ohne zu lenken – eine schnurgerade Furche der Verwüstung durch den Landkreis Uelzen. Im unmotorisierten Beiwagen die örtlichen Sozialdemokraten, auf dem Sozius ausgerechnet die Rentnerinnen- und Rentnerpartei (RRP), für die die A 39 eine ähnliche Bedeutung haben dürfte wie der Beschluss zum Bau der Elbphilharmonie für Luciano Pavarotti.
Das Verhalten der SPD nach Aufkündigung des Ratsbeschlusses gegen die A 39 durch die Christdemokraten hat die bisherige Mehrheitsgruppe im Stadtrat unmöglich und die Gruppe aus SPD, WBB und Grünen zerbersten lassen. Ortsbürgermeister Martin Feller (Grüne) ist geschwächt, und ob die Gruppe aus SPD, WBB, Grünen und Keine-A39 in der Samtgemeinde Bevensen-Ebstorf noch lange hält, ist derzeit offen.
Viel Bruch also, den die CDU da in Kauf genommen hat. Und das ist nur der politische Schaden auf provinzieller Ebene. Gerade hier und gerade jetzt hätte von der CDU ein Impuls ins ganze Land ausgehen können, frei nach dem Motto: „Wir haben verstanden“. Haben sie aber nicht. Der Impuls unterblieb. Der übliche Reflex kam.
Doch selbst wenn die Mär stimmen würde, nach der immer mehr Brücken, Straßen, Autos und Häfen die Wirtschaft ankurbeln – auf lange Sicht verschlechtert es die Lebensumstände künftiger Generationen, und zwar so sehr, dass ihnen irgendwann auch der stärkste Wirtschaftsboom keine Freude mehr bereiten wird.
Die Veränderungen sind bereits spürbar. Forscher wie Hans Joachim Schellnhuber, Direktor des Potsdamer Instituts für Klimaforschung, werten die häufiger auftretenden Wetterextreme, abschmelzenden Gletscher und den Anstieg des Meeresspiegels als „unübersehbare Menetekel“. Schellnhuber sagt: „Was hier passiert, trifft unsere Kinder.“ US-Präsident Barack Obama hat sich auf dem kürzlich in New York abgehaltenen Klimagipfel ähnlich geäußert: „Wir sind die erste Generation, die den Klimawandel spürt“, sagte er. „Und die letzte, die etwas dagegen tun kann.“
Das alles ficht die CDU natürlich nicht an – die in Berlin nicht und schon gar nicht die in Bad Bevensen. „Warum sollen ausgerechnet wir mit der Rettung der Welt beginnen?“, mag man sich im Heide-Städtchen denken. „Zuallererst“, und das heißt für die CDU eigentlich: ausschließlich, „brauchen wir Wachstum und Arbeitsplätze. Der Obama tut ja auch nichts.“ Klimaschutz gern, so denken sich die angeblich christlichen Demokraten vermutlich, so lange es ums Wirtschaftsklima geht.
Dabei wissen wir längst, wie Wirtschaftswachstum und Klimaschutz zu vereinen wären: durch Investitionen in erneuerbare Energien, ressourcensparende Techniken, Rechtssicherheit. Aber statt die schönen Erkenntnisse in die Praxis umzusetzen, bauen wir weiter schmutzige Brücken, Straßen, Autos und Häfen. Das zu ändern, ist Sache der Politik. Es wäre höchste Zeit, dass Regierungsvertreter über grünes Wachstum reden statt über die althergebrachten Konjunkturmaßnahmen. In Berlin. Aber auch in Bad Bevensen. Quelle: Andreas Conradt; einzelne Passagen aus Die Zeit