Freitag, 21. März 2014

Offener Brief an Uelzens Landrat Blume

Annette Niemann und Wolfgang Schneider, Sprecherin und Sprecher des Dachverbands der Bürgerinitiativen gegen den Bau der A 39, reagieren auf den Beschluss für eine Resolution pro Bau der Autobahn mit einem offenen Brief an den Uelzener Landrat Dr. Heiko Blume.

Sehr geehrter Dr. Heiko Blume, was bedeutet es für Sie, „der Landrat aller Bürger zu sein“, wie Sie selbst von sich sagen? Zählen für Sie Landwirte nicht zu „Ihren“ Bürgern? Die Frage drängt sich angesichts Ihres Verhaltens in der Kreistagssitzung vom 18. März auf. In dieser Sitzung wurde über die A 39 diskutiert, und etliche Landwirte waren gekommen, weil sie auf Antworten hofften, Antworten auf konkrete Fragen (siehe unten), die geprägt sind von der Sorge, dass der Flächenverlust durch den möglichen Bau der A39 ihre wirtschaftlichen Existenzen zerstören könnte.
Doch was die Landwirte in jener Sitzung erlebten, war angetan, auch gutwillige Menschen an der Politik des Kreistags verzweifeln zu lassen. Keine einzige der Sachfragen der Betroffenen wurde auch nur im Ansatz beantwortet. Die Mehrheit der Angeordneten hatte sich offenbar noch nicht ernsthaft mit dem auseinandergesetzt, was über die Kosten und Nutzen des Projekts A39 bekannt ist. Der Tatsache, dass selbst im Bundesverkehrswegeplan die Kosten dieses Autobahnbaus für die Region höher veranschlagt werden als der mögliche Nutzen, setzten Sie und andere Abgeordnete ein trotziges „Ich glaube aber das Gegenteil“ entgegen.
Ist es ernstlich vorstellbar, dass bei einem Projekt wie der A 39, das so stark das Gesicht des Landkreises Uelzen verändern wird, die Mitglieder des Kreistages vor den negativen Folgen fest die Augen verschließen? Er wäre auch Ihre Aufgabe als Landrat, dafür zu sorgen, dass niemand durch eine mögliche Autobahn schlechter gestellt wird als heute. Die Stadt Lüneburg hat zwei Rechtsanwälte beauftragt, um Schäden durch den Autobahnbau für die Stadt und ihre Bewohner abzuwenden, und sie ist bereit, für diesen Zweck zu klagen; das tut sie unabhängig von ihrer Position zur A39. Was aber tun Sie?
Können Sie etwas Ähnliches von sich sagen? Die Antwort ist nein. Sie wollen mit Ihren Freunden von der Industrie- und Handelskammer ungestört durch kritische Fragen über die Autobahn in einer Konferenz beraten. Der Frage, ob sie die Landwirtschaft, einen der wichtigsten Wirtschaftszweige der Region, in diese Konferenzen einbeziehen wollen, weichen Sie aus. Das wüssten Sie noch nicht, haben Sie gesagt. Kann man noch ungenierter Klientelpolitik zum Schaden der Allgemeinheit betreiben?
Wir fordern Sie auf, alle nötigen Vorkehrungen zu treffen, um Schaden vom Landkreis und seiner Bevölkerung abzuwenden. Das muss auch im Fall der A39-Planungen Ihre Aufgabe sein. Es wäre ein Anfang, wenn Sie ernsthaft versuchen würden, sich mit den Sorgen und Fragen der gefährdeten Landwirte auseinanderzusetzen, statt sie einfach weg- oder weiterzuschieben. Wir nehmen Sie noch immer beim Wort und warten auf den Heiko Blume, der sich zu Recht als Landrat aller Bürger bezeichnen kann.



Fragen an Landrat Dr. Blume

Die CDU/FDP/RRP- Gruppe des Kreistages hatte durch Herrn Reese einen Antrag zur Beschlussfassung eingereicht. In diesem wurde der Landrat beauftragt, sich mit der Verwaltung der betroffenen Landkreise und mit Wirtschaftsverbänden in Verbindung zu setzen, um in einer gemeinsamen Aktion für den Bau der A39 zu werben.
Es ergeben sich folgende Fragen:

1. Diese Tätigkeiten erfordern einen hohen personellen und zeitlichen Aufwand. Welche Mittel werden Sie in diesem bzw. den folgenden Haushalten vorsehen, um dem Auftrag nachkommen zu können? Wenn keine gesonderten Mittel zur Verfügung gestellt werden, in welchem Bereich werden Sie kürzen, um die angekündigte Konferenz durchführen zu können?

2. Der Antrag beauftragt Sie, sich um den zügigen Fortgang der Planungen der A39 zu kümmern. Diese Planungen sind nie gestoppt worden. Sie werden im Rahmen der vom Bund zur Verfügung gestellten Mittel - auf die Sie keinerlei Einfluss haben - durchgeführt. Der Antrag ist in dieser Hinsicht also völlig sinnlos. Hätten Sie diesen Teil des Antrags nicht schon ablehnen müssen, um sich nicht dem Vorwurf der Steuer- und Mittelverschwendung auszusetzen?

3. Der Antrag beauftragt Sie, gemeinsam mit Wirtschaftsverbänden ein Schreiben an die Landesregierung und das Verkehrsministerium zu verfassen. Einer der im Landkreis Uelzen stärksten Wirtschaftsverbände ist die Landwirtschaft (einschließlich Zulieferer und Abnehmer). Die Landwirte gelten zudem als Stammwähler der CDU, also der Antragstellerin. Werden Sie diesen Wirtschaftszweig an der Erstellung des Schreibens beteiligen, oder handelt es sich bei dem vorgesehenen Schreiben um eine reine Unterstützung einiger weniger Lobbyisten?

4. Die Antragstellerin erwähnt zur Begründung eine „gravierende Entlastung von Bundes- und Landesstraßen“. Die Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr weist in den Planungsunterlagen aus, dass der nach Fertigstellung der A39 auf den Bundesstraßen wie der B4 verbleibende Verkehr in etwa dem heutigen Niveau entsprechen wird. Die Begründung des Antrages ist somit sachlich falsch. Die Situation der stark verkehrsbelasteten Orte der Region wird nach einem Autobahnbau im Gegenteil dadurch verschlimmert, dass der Bund dann keine Mittel für Ortsumgehungen mehr zur Verfügung stellen wird. Warum setzen sich für Anträge ein, die die Lebenssituation vieler Ihrer Bürger verschlechtern werden?

5. Der gültige Bundesverkehrswegeplan beziffert den regionalen Effekt, also den Nutzen für die gesamte Region, mit lediglich 2,7 Millionen Euro. Die Kosten des induzierten Verkehrs, also des zusätzlichen, durch die Autobahn verursachten Verkehrs werden mit der nahezu zehnfachen Summe – knapp 25 Millionen Euro – angegeben. Der regionale Nutzen wird vorwiegend durch die Zentren Wolfsburg und Lüneburg erzeugt. Er dürfte für den Landkreis Uelzen verschwindend gering sein. Induzierter Verkehr und seine Kosten ergeben sich aber auf der gesamten Strecke. Wollen Sie allen Ernstes ein Projekt vorantreiben, welches mehr Kosten als Nutzen für den Kreis verursacht?

6. Die möglichen negativen Folgen eines Baus der A39 beunruhigen viele Bürger. Die Hesebecker Landwirte haben sich deshalb beispielsweise zu einer Klagegemeinschaft mit einer Münchner Fachkanzlei zusammengetan. Die Bad Bevensener Bürger haben sich zu einer Klagegemeinschaft mit der Hamburger Kanzlei Günther vereint. Die Bauern in der Gemarkung Bienenbüttel sind in der Interessengemeinschaft Landverlust A39 organisiert und lassen sich gemeinsam von der Kanzlei Mohr & Partner in Hamburg vertreten.
Die Gemeinde Bienenbüttel hat ebenso wie die Stadt Lüneburg zudem einen A39-Begleitausschuss gebildet, der alle Fragen und Problematiken, die im Zusammenhang mit den Planungen der Autobahn auftauchen, erörtert. Was gedenken Sie als Landrat des Landkreises Uelzen zu tun, um die Belastungen der Bürgerinnen und Bürger in dieser Sache so gering wie möglich zu halten? Wie schützen Sie die Landwirte vor den wirtschaftlichen Nachteilen? Wird der Landkreis auch einen Begleitausschuss einsetzen? Wer vertritt die Forderungen des Landkreises gegenüber der Planungsbehörde?

7. Im Zusammenhang mit dem möglichen Bau der A39 sind sämtliche Fragen der Beregnung ungeklärt. Für die intensive Landwirtschaft im Landkreis Uelzen ist die Beregnung existenznotwendig. Der Autobahnbau würde das Beregnungssystem für mehr als 10.000 ha landwirtschaftliche Flächen gefährden, mit einem unkalkulierbaren Risiko für die Landwirte. In diesem Zusammenhang sind – abgesehen vom Problem der Sicherstellung der Beregnung – sämtliche Fragen der Entschädigung unbeantwortet.

Haben Sie Antworten?

Quelle: Dachverband KEINE! A39