Annette Niemann und Wolfgang Schneider, Sprecherin und Sprecher des
Dachverbands der Bürgerinitiativen gegen den Bau der A 39, reagieren auf
den Beschluss für eine Resolution pro Bau der Autobahn mit einem
offenen Brief an den Uelzener Landrat Dr. Heiko Blume.
Sehr
geehrter Dr. Heiko Blume, was bedeutet es für Sie, „der Landrat aller
Bürger zu sein“, wie Sie selbst von sich sagen? Zählen für Sie Landwirte
nicht zu „Ihren“ Bürgern? Die Frage drängt sich angesichts Ihres
Verhaltens in der Kreistagssitzung vom 18. März auf. In dieser Sitzung
wurde über die A 39 diskutiert, und etliche Landwirte waren gekommen,
weil sie auf Antworten hofften, Antworten auf konkrete Fragen (siehe
unten), die geprägt sind von der Sorge, dass der Flächenverlust durch
den möglichen Bau der A39 ihre wirtschaftlichen Existenzen zerstören
könnte.
Doch was die Landwirte in jener Sitzung erlebten, war angetan, auch
gutwillige Menschen an der Politik des Kreistags verzweifeln zu lassen.
Keine einzige der Sachfragen der Betroffenen wurde auch nur im Ansatz
beantwortet. Die Mehrheit der Angeordneten hatte sich offenbar noch
nicht ernsthaft mit dem auseinandergesetzt, was über die Kosten und
Nutzen des Projekts A39 bekannt ist. Der Tatsache, dass selbst im
Bundesverkehrswegeplan die Kosten dieses Autobahnbaus für die Region
höher veranschlagt werden als der mögliche Nutzen, setzten Sie und
andere Abgeordnete ein trotziges „Ich glaube aber das Gegenteil“
entgegen.
Ist es ernstlich vorstellbar, dass bei einem Projekt wie der A 39, das
so stark das Gesicht des Landkreises Uelzen verändern wird, die
Mitglieder des Kreistages vor den negativen Folgen fest die Augen
verschließen? Er wäre auch Ihre Aufgabe als Landrat, dafür zu sorgen,
dass niemand durch eine mögliche Autobahn schlechter gestellt wird als
heute. Die Stadt Lüneburg hat zwei Rechtsanwälte beauftragt, um Schäden
durch den Autobahnbau für die Stadt und ihre Bewohner abzuwenden, und
sie ist bereit, für diesen Zweck zu klagen; das tut sie unabhängig von
ihrer Position zur A39. Was aber tun Sie?
Können Sie etwas Ähnliches von sich sagen? Die Antwort ist nein. Sie
wollen mit Ihren Freunden von der Industrie- und Handelskammer ungestört
durch kritische Fragen über die Autobahn in einer Konferenz beraten.
Der Frage, ob sie die Landwirtschaft, einen der wichtigsten
Wirtschaftszweige der Region, in diese Konferenzen einbeziehen wollen,
weichen Sie aus. Das wüssten Sie noch nicht, haben Sie gesagt. Kann man
noch ungenierter Klientelpolitik zum Schaden der Allgemeinheit
betreiben?
Wir fordern Sie auf, alle nötigen Vorkehrungen zu treffen, um Schaden
vom Landkreis und seiner Bevölkerung abzuwenden. Das muss auch im Fall
der A39-Planungen Ihre Aufgabe sein. Es wäre ein Anfang, wenn Sie
ernsthaft versuchen würden, sich mit den Sorgen und Fragen der
gefährdeten Landwirte auseinanderzusetzen, statt sie einfach weg- oder
weiterzuschieben. Wir nehmen Sie noch immer beim Wort und warten auf den
Heiko Blume, der sich zu Recht als Landrat aller Bürger bezeichnen
kann.
Fragen an Landrat Dr. Blume
Die CDU/FDP/RRP- Gruppe des Kreistages hatte durch Herrn Reese einen
Antrag zur Beschlussfassung eingereicht. In diesem wurde der Landrat
beauftragt, sich mit der Verwaltung der betroffenen Landkreise und mit
Wirtschaftsverbänden in Verbindung zu setzen, um in einer gemeinsamen
Aktion für den Bau der A39 zu werben.
Es ergeben sich folgende Fragen:
1. Diese Tätigkeiten erfordern einen hohen personellen und zeitlichen
Aufwand. Welche Mittel werden Sie in diesem bzw. den folgenden
Haushalten vorsehen, um dem Auftrag nachkommen zu können? Wenn keine
gesonderten Mittel zur Verfügung gestellt werden, in welchem Bereich
werden Sie kürzen, um die angekündigte Konferenz durchführen zu können?
2. Der Antrag beauftragt Sie, sich um den zügigen Fortgang der Planungen
der A39 zu kümmern. Diese Planungen sind nie gestoppt worden. Sie
werden im Rahmen der vom Bund zur Verfügung gestellten Mittel - auf die
Sie keinerlei Einfluss haben - durchgeführt. Der Antrag ist in dieser
Hinsicht also völlig sinnlos. Hätten Sie diesen Teil des Antrags nicht
schon ablehnen müssen, um sich nicht dem Vorwurf der Steuer- und
Mittelverschwendung auszusetzen?
3. Der Antrag beauftragt Sie, gemeinsam mit Wirtschaftsverbänden ein
Schreiben an die Landesregierung und das Verkehrsministerium zu
verfassen. Einer der im Landkreis Uelzen stärksten Wirtschaftsverbände
ist die Landwirtschaft (einschließlich Zulieferer und Abnehmer). Die
Landwirte gelten zudem als Stammwähler der CDU, also der
Antragstellerin. Werden Sie diesen Wirtschaftszweig an der Erstellung
des Schreibens beteiligen, oder handelt es sich bei dem vorgesehenen
Schreiben um eine reine Unterstützung einiger weniger Lobbyisten?
4. Die Antragstellerin erwähnt zur Begründung eine „gravierende
Entlastung von Bundes- und Landesstraßen“. Die Niedersächsische
Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr weist in den Planungsunterlagen
aus, dass der nach Fertigstellung der A39 auf den Bundesstraßen wie der
B4 verbleibende Verkehr in etwa dem heutigen Niveau entsprechen wird.
Die Begründung des Antrages ist somit sachlich falsch. Die Situation der
stark verkehrsbelasteten Orte der Region wird nach einem Autobahnbau im
Gegenteil dadurch verschlimmert, dass der Bund dann keine Mittel für
Ortsumgehungen mehr zur Verfügung stellen wird. Warum setzen sich für
Anträge ein, die die Lebenssituation vieler Ihrer Bürger verschlechtern
werden?
5. Der gültige Bundesverkehrswegeplan beziffert den regionalen Effekt,
also den Nutzen für die gesamte Region, mit lediglich 2,7 Millionen
Euro. Die Kosten des induzierten Verkehrs, also des zusätzlichen, durch
die Autobahn verursachten Verkehrs werden mit der nahezu zehnfachen
Summe – knapp 25 Millionen Euro – angegeben. Der regionale Nutzen wird
vorwiegend durch die Zentren Wolfsburg und Lüneburg erzeugt. Er dürfte
für den Landkreis Uelzen verschwindend gering sein. Induzierter Verkehr
und seine Kosten ergeben sich aber auf der gesamten Strecke. Wollen Sie
allen Ernstes ein Projekt vorantreiben, welches mehr Kosten als Nutzen
für den Kreis verursacht?
6. Die möglichen negativen Folgen eines Baus der A39 beunruhigen viele
Bürger. Die Hesebecker Landwirte haben sich deshalb beispielsweise zu
einer Klagegemeinschaft mit einer Münchner Fachkanzlei zusammengetan.
Die Bad Bevensener Bürger haben sich zu einer Klagegemeinschaft mit der
Hamburger Kanzlei Günther vereint. Die Bauern in der Gemarkung
Bienenbüttel sind in der Interessengemeinschaft Landverlust A39
organisiert und lassen sich gemeinsam von der Kanzlei Mohr & Partner
in Hamburg vertreten.
Die Gemeinde Bienenbüttel hat ebenso wie die Stadt Lüneburg zudem einen
A39-Begleitausschuss gebildet, der alle Fragen und Problematiken, die
im Zusammenhang mit den Planungen der Autobahn auftauchen, erörtert. Was
gedenken Sie als Landrat des Landkreises Uelzen zu tun, um die
Belastungen der Bürgerinnen und Bürger in dieser Sache so gering wie
möglich zu halten? Wie schützen Sie die Landwirte vor den
wirtschaftlichen Nachteilen? Wird der Landkreis auch einen
Begleitausschuss einsetzen? Wer vertritt die Forderungen des Landkreises
gegenüber der Planungsbehörde?
7. Im Zusammenhang mit dem möglichen Bau der A39 sind sämtliche Fragen
der Beregnung ungeklärt. Für die intensive Landwirtschaft im Landkreis
Uelzen ist die Beregnung existenznotwendig. Der Autobahnbau würde das
Beregnungssystem für mehr als 10.000 ha landwirtschaftliche Flächen
gefährden, mit einem unkalkulierbaren Risiko für die Landwirte. In
diesem Zusammenhang sind – abgesehen vom Problem der Sicherstellung der
Beregnung – sämtliche Fragen der Entschädigung unbeantwortet.
Haben Sie Antworten?
Quelle: Dachverband KEINE! A39