Freitag, 4. Juni 2004

Nonsensautobahn A39 soll ohne Argumente durchgesetzt werden

Verkehrsstudien werden verheimlicht und zurechtgezimmert


Fakten und Untersuchungen spielen offenbar kaum eine Rolle bei den Entscheidungsprozessen zur Autobahn A 39. Dieses Fazit ziehen die Bürgerinitiativen gegen die A 39 aus ihrer Untersuchung der A39-Planung: Verkehrspolitische Studien werden unter Verschluss gehalten, falsch zitiert und nach Zwecksetzung zurechtgezimmert.

Diese „Nonsensautobahn“ ist damit ganz offensichtlich ein parteipolitisches Mach-Werk ohne verkehrspolitische Begründung. Sie soll trotzdem durchgesetzt werden - lediglich zum kurzfristigen Nutzen oder zur Denkmalsetzung von Politikern wie Schröder, Struck, Wulff, Althusmann, Grill oder Hirche.

  1. Die Verkehrsuntersuchung Nord-Ost 1995 (VUNO 95) plädiert nicht für eine A 39 und verschwindet in den Schubladen.
    Seit Anfang der 90er Jahre wurde die verkehrliche Situation in der Region Nordost – in staatlichem Auftrag - von einer interdisziplinären Arbeitsgruppe untersucht. Sie wurde darüber hinaus von einem Arbeitskreis begleitet, in dem die Straßenbauverwaltungen der Länder Hamburg (zugleich für Schleswig-Holstein), Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Brandenburg (zugleich für Berlin) sowie die  Fachreferate des Bundesverkehrsministeriums vertreten waren. Federführender Auftraggeber dieser VUNO war das Land Sachsen-Anhalt. Die Finanzierung erfolgte durch das Bundesverkehrsministerium, die Empfehlungen dann als VerkehrsUntersuchung NordOst 1995 (VUNO 95) zusammengefasst. Diese VUNO 95 hält einen Autobahn-Bau zwischen Lüneburg und Wolfsburg für nicht erforderlich und für nicht effektiv und untermauert dies mit Untersuchungen zur Verkehrssituation und zur Verkehrsentwicklung. Diese Ergebnisse der VUNO 95,offensichtlich unerwünscht, verschwanden in der Schublade. Erst die Bürgerinitiative "Aktion Lebensberg e. V." sorgte am 12.02.04 für die Veröffentlichung.

  2. Gibt es bereits fertige A39-Planungen?
    Trotz dieser bewiesenen Unsinnigkeit der A 39: Es gibt mehrere Hinweise aus Verwaltungen,dass bereits jetzt – unveröffentlicht - eine fertigeTrassenplanung existiere. Misstrauisch müssen auch Karten machen, die eine überraschend konkrete Linienführung darstellen (z.B. in den Antragsunterlagen zur Antragskonferenz). In die gleiche Richtung deutet die Äußerung des Vertreters der Bezirksregierung bei einer Veranstaltung der Samtgemeinde Ebstorf, seiner privaten Meinung nach „hätte der Osten des Landkreises die A 39 am nötigsten“.
    Wir fordern die Verantwortlichen in Politik und Verwaltung zu einer klaren Antwort auf: Existieren solche konkreten A39-Pläne?
  3. Die Bezirksregierung Lüneburg will die Planungen offenbar „durchziehen“ und informiert die eingeladenen Gemeinde-Vertreter und „Träger öffentlicher Belange“ vor der Antragskonferenz nicht rechtzeitig und unvollständig.
    Die Unterlagen zur Antragskonferenz am 20. Februar 2004 erreichten die Eingeladenen nur wenige Tage davor, so dass sie keine Gelegenheit hatten, sich auf die Antragskonferenz fachlich hinreichend vorzubereiten, auszutauschen und politisch legitimierte Aussagen vorzubringen (daran änderte auch die nachträgliche 14tägige Zusatzfrist nichts). Zumal die "Unterlagen zur Antragskonferenz - Raumordnungsverfahren" für den "Neubau BAB A 39 Wolfsburg - Lüneburg" stellen die Ergebnisse der VUNO 95 unrichtig darstellen.

  4. Auch eine neue „VUNO 2002“ wird verschwiegen und verleugnet:
    Nachdem der leitende A39-Planer Fischer (Straßenbauamt Lüneburg) die VUNO 95 - nach deren Veröffentlichung durch die Bürgerinitiativen – in der „Landeszeitung“ als veraltet dargestellt und die Frage nach neueren Überprüfungen verneint hatte, wurden diese Behauptungen widerlegt durch die Veröffentlichung einer aktualisierten, offiziellen VUNO 2002. Auch diese lag unveröffentlicht und versteckt in den Schubladen, wurde dann aber - auf gezielte Nachfrage des Umweltvereins Gellersen - von der SPD Bundestagsabgeordneten Wegener den Bürgerinitiativen zur Verfügung gestellt (anderen Abgeordneten stünde eine ähnlich verantwortungsvolle Offenheit gut an).
    Wesentliche Ergebnisse der neuerlichen Studie:
    - Ein Autobahnbau in der Region ist verkehrlich nicht erforderlich.
    - Die in der VUNO 95 prognostizierte Verkehrsentwicklung hat sich nicht realisiert und wird noch geringer ausfallen als erwartet.
  5. Nutzen-Kosten-Ergebnisse der A 39 - geschönt durch den Doppelpack mit der A 14
    Die bisherigen Nutzen-Kosten-Untersuchungen sind so angelegt, dass sie die A39 beschönigen. Die Bewertung der A 39 geschieht nämlich im Doppelpack mit der A 14 (von Schwerin nach Magdeburg), obwohl deren Planungsverfahren praktisch bereits völlig entkoppelt von der A 39-Planung erfolgt. Eine solche Koppelung ist bei zwei jeweils 100 km langen Autobahnen völlig unüblich und geschieht vermutlich mit dem Ziel, die A 39 durch Vermanschung mit den Nutzen-Kosten-Ergebnissen der A 14 „schön zu rechnen“. Wir vermuten, dass die Einzelbewertung der A 39 so schlecht ausfällt, dass die anstehende Aufnahme in den „vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans“ damit nicht mehr zu rechtfertigen wäre.  Wir fordern die Verantwortlichen auf, unverzüglich die Einzelergebnisse der Nutzen-Kosten-Berechnung der A 39 auf denTisch zu legen!
  6. Scheuklappen- und Betonkopf-Orientierung verhindert zukunftgerichtete Studien
    Auch die VUNO-Untersuchungen bleiben einseitig und beschränkt. Wirklich umfassende und intelligente Untersuchungen zu Verkehr und Regionalentwicklung sind von den verantwortlichen Politikern bisher nicht angedacht geschweige denn in Auftrag gegeben:
    - mit einem ganzheitlichen Verkehrskonzept, das alle Verkehrssysteme berücksichtigt (Kapazitäten des Elbe-Seiten-Kanals, Reaktivierung von Bahnlinien, etc.),
    - unter Einbeziehung der Forschungsergebnisse von kritischen Wissenschaftlern wie Dr. Pez (Universität Lüneburg) oder von Prof. Gather (Fachhochschule Erfurt),die den fehlenden Effekt von Autobahn-Neubauten nachweisen,
    - mit Prüfung von Alternativen für zukunftsgerichtete  Investitionen und Regionalstrategien,
    - unter Berücksichtigung neuer wirtschaftlicher/gesellschaftlicher Entwicklungen (weiter abnehmende Bedeutung hiesiger Transportkosten bei Standortentscheidungen, u.a. durch die zunehmende Verlagerung der Produktion in Billigstlohnländer oder an hochsubventionierte Standorte).
  7. Fakten statt Spruchblasen!
    Wir fordern auch die Industrie- und Handelskammer Lüneburg auf, endlich anhand konkreter Fakten und Zahlen zu belegen, welche Wirkungen die A 39 auf Gewerbeansiedlung, Arbeitsplätze und regionale Entwicklungen hätte. Wir fordern dies ebenso von den (bisherigen) Autobahn-Befürwortern aus der Politik, z. B. von Abgeordneten wie Herrn Struck, Herrn Grill, Herrn Althusmann, von Ministerpräsident Wulff oder  Verkehrsminister Hirche! Unsere Ablehnung der A 39 wird durch die obigen Fakten weiter bestätigt, ebenso unsere Forderungen
    - nach einem  transparenten Verfahren unter Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger,
    - nach einem sensiblen Ausbau der B 4 mit Ortsumgehungen und
    - nach einem nachhaltigen Ansatz für Verkehr und Entwicklung in unserer Region!

Verantwortlich als Sprecher des Dachverbands der Bürgerinitiativen gegen die A 39:
Eckehard Niemann
Varendorfer Str. 24
29553 Bienenbüttel-Varendorf